Die sommerliche Stadionatmosphäre täuscht nicht über die harten Fakten hinweg. Im Frauenfußball wächst etwas, aber zu langsam. Das spüre ich bei jedem Spielbesuch. Die Ränge füllen sich, die Begeisterung steigt, doch strukturell hapert es noch.
Lena Oberdorf bringt es auf den Punkt: «Wir haben eine kleine Pflanze gezüchtet, die jetzt wächst. Aber wenn man sie nicht pflegt, wird sie wieder eingehen.» Die Nationalspielerin fordert mehr Engagement aller Beteiligten. Nicht nur von Verbänden und Vereinen, sondern auch von Sponsoren und Medien. Die EM 2022 zeigte das Potenzial mit Rekordeinschaltquoten von über 17 Millionen Zuschauern beim deutschen Finale. Doch der Alltag sieht anders aus. In der Bundesliga kämpfen viele Spielerinnen noch immer mit unzureichenden Trainingsbedingungen und Teilzeitverträgen. Bei meinem letzten Besuch im Trainingszentrum eines Erstligisten musste das Team den Platz mit drei Jugendmannschaften teilen. Unvorstellbar im Männerfußball.
«Es braucht mehr als nur warme Worte», betont Sportökonomin Julia Scherr. «Die Vermarktungspotenziale werden noch immer nicht ausgeschöpft.«
Die Entwicklung erinnert mich an die Anfänge der Frauen-Bundesliga. Damals wie heute: Es braucht Pioniergeist und Beharrlichkeit. Der Frauenfußball hat seine eigene Identität gefunden und verdient entsprechende Wertschätzung. Die kleine Pflanze könnte zu einem prächtigen Baum heranwachsen – wenn wir alle bereit sind, ihr den nötigen Raum und die Pflege zu geben.