Ich spürte den Herbstwind auf meinem Weg zum Bremer Wochenmarkt. Eine ältere Dame sortierte Pfandflaschen aus einem Mülleimer. Ihr Blick traf meinen nur kurz. Altersarmut – ein wachsendes Problem in unserer Hansestadt, das mehr Aufmerksamkeit verdient.
Die Zahlen sind alarmierend: In Bremen leben etwa 19.000 Menschen im Rentenalter unter der Armutsgrenze. Das entspricht fast jedem fünften Rentner. Besonders betroffen sind Frauen, die durch Teilzeitarbeit und Familienpausen geringere Rentenansprüche erworben haben.
«Die Altersarmut hat ein weibliches Gesicht,» erklärt Sozialsenatorin Claudia Schilling. Meine Nachbarin Helga, 76, bestätigt das. Sie arbeitete jahrzehntelang als Friseurin, nun reicht ihre Rente kaum für Miete und Lebensmittel. «Manchmal esse ich tagelang nur Brot mit Margarine,» erzählt sie mir.
Die Grundsicherung im Alter beantragen viele Betroffene aus Scham nicht. Laut aktueller Umfrage von Radio Bremen kennt jeder Dritte in seinem Umfeld ältere Menschen mit finanziellen Problemen. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen.
Besonders in Stadtteilen wie Gröpelingen und Blumenthal wird die Not sichtbar. Ehrenamtliche Initiativen wie der «Mittagstisch 60+» bieten Unterstützung. Doch sie können strukturelle Probleme nicht lösen.
Wenn ich heute über den Markt gehe, sehe ich die ältere Generation mit anderen Augen. Hinter manch bescheidenem Einkauf verbirgt sich oft eine stille Not. Unsere Gesellschaft muss sich fragen: Ist das der Lebensabend, den wir für jene wollen, die unser Land aufgebaut haben?