Der Anblick im Schaufenster der Buchhandlung lässt mich schmunzeln. Dort thront eine Sammlung von Büchern, die viele lieber versteckt halten würden. «Arschgeweih der Literatur» nennt eine Aktion zahlreicher NRW-Buchhandlungen ihre provokante Ausstellung längst vergessener Bestseller. Diese Bücher, die wir einst verschlungen haben, wollen viele heute nicht mehr im Regal sehen.
«Wir zeigen bewusst die Titel, für die sich Leser heute oft schämen», erklärt mir Julia Meier, Buchhändlerin aus Arnsberg. «Von ‹Shades of Grey› bis ‹Das Bernstein-Amulett› – jeder hat solche heimlichen literarischen Jugendsünden.» Die Reaktionen der Kunden fallen höchst unterschiedlich aus. Manche lachen herzhaft, andere wenden sich peinlich berührt ab. Ich selbst entdecke drei Titel, die auch in meinem Keller verstauben.
Der Verband deutscher Buchhandlungen bestätigt: Fast 78 Prozent aller Leser besitzen mindestens ein Buch, das sie heute nicht mehr kaufen würden. Besonders interessant finde ich die Beobachtung beim Stöbern. Viele Kunden bleiben vor der Auslage stehen. Sie flüstern, kichern, zeigen. «Es ist wie ein literarischer Spiegel unserer Vergangenheit», sagt Kulturwissenschaftlerin Dr. Petra Langen. «Diese Bücher erzählen viel über gesellschaftliche Trends und unser verändertes Selbstbild.»
Als ich die Buchhandlung verlasse, muss ich über unsere widersprüchliche Beziehung zu Literatur nachdenken. Was wir lesen, prägt und definiert uns – manchmal eben auch durch das, wovon wir uns später distanzieren. Vielleicht liegt gerade darin der wahre Wert dieser «Arschgeweihe»: Sie zeigen unsere Veränderung und Entwicklung als Leser und Menschen.