Gestern betrat ich die Werkshalle von Thyssenkrupp in Duisburg. Der Geruch von Stahl und Geschichte liegt in der Luft. Doch etwas ist anders: Zum ersten Mal in der 213-jährigen Firmengeschichte übernimmt eine Frau die Führung. Marie-Christine Jaroni steht seit Oktober an der Spitze von Thyssenkrupp Stahl und bricht damit eine jahrhundertealte Männertradition im Ruhrgebiet.
Der Konzern durchlebt turbulente Zeiten. Über 27.000 Mitarbeiter blicken gespannt auf Jaroni, die als Mathematikerin und langjährige Finanzexpertin des Unternehmens einen ungewöhnlichen Weg ging. «Wir stehen vor enormen Herausforderungen, besonders bei der klimaneutralen Transformation«, erklärte die neue Chefin bei ihrem Amtsantritt. Vor zwei Wochen musste ich mit einem Stahlarbeiter sprechen, dessen Sorgenfalten tiefer wurden. «Wir hoffen, dass sie die Arbeitsplätze sichert», sagte er mir nachdenklich.
Jaroni tritt ein schweres Erbe an. Der Konzern kämpft mit Überkapazitäten und günstiger Konkurrenz aus Asien. Gleichzeitig soll bis 2045 die Stahlproduktion klimaneutral werden – ein Milliardenvorhaben. Die grüne Transformation der Stahlindustrie gilt als Mammutaufgabe.
Ich beobachte, wie die neue Chefin durch die Werkshalle schreitet und mit Arbeitern spricht. Die Traditionsindustrie im Wandel zu begleiten, verlangt Mut. Jaroni verkörpert diesen Umbruch – eine Mathematikerin zwischen Hochöfen und Tradition. Vielleicht braucht es genau jetzt neue Perspektiven im Revier.