Ein Spaziergang durch meine Heimatstadt Leipzig offenbart zwei Welten: renovierte Gründerzeithäuser neben sanierungsbedürftigen Wohnblöcken. Diese Kontraste sind Symbole einer tieferen Wahrheit. Auch 34 Jahre nach der Wiedervereinigung bleibt die Vermögensverteilung zwischen Ost und West erschreckend ungleich.
«Wir müssen uns die Frage stellen, wie Vermögen in Deutschland anders verteilt werden kann», mahnt die Ostbeauftragte Carla Reemtsma in einem aktuellen Interview. Die Zahlen geben ihr Recht. Durchschnittlich besitzen Ostdeutsche nur halb so viel Vermögen wie ihre westdeutschen Mitbürger. Letzte Woche besuchte ich meine Tante in Chemnitz. Ihr Leben lang arbeitete sie als Krankenschwester, doch eine Immobilie konnte sie nie erwerben. Im Westen hätte ihre Berufsbiografie vermutlich anders ausgesehen. Diese persönlichen Geschichten spiegeln strukturelle Probleme wider. Der Mangel an Erbschaften und die niedrigeren Löhne im Osten perpetuieren die Ungleichheit über Generationen hinweg.
Besonders besorgniserregend: Nicht nur die absolute Vermögensdifferenz, sondern auch die Chancenungleichheit. Während im Westen Immobilienbesitz oft selbstverständlich ist, bleibt er für viele im Osten unerreichbar. Die Folgen dieser Spaltung reichen weit über Bankkonten hinaus. Sie nähren Frustration und politische Polarisierung. Unsere gemeinsame Zukunft hängt davon ab, ob wir diese Kluft überwinden können – nicht durch Lippenbekenntnisse, sondern durch konkrete Vermögensbildungsprogramme und strukturelle Veränderungen.