Die erste Frau an der Spitze der Technischen Universität Berlin muss ihren Posten räumen. Der Akademische Senat der TU Berlin hat am Mittwoch mit deutlicher Mehrheit für die Abwahl von Universitätspräsidentin Prof. Dr. Geraldine Rauch gestimmt. Von 25 anwesenden Senatsmitgliedern votierten 19 für die Abwahl, bei vier Gegenstimmen und zwei Enthaltungen.
Die Mathematikerin und Statistikerin hatte ihr Amt erst im April 2022 angetreten und war die erste Frau in der über 140-jährigen Geschichte der Universität, die diesen Posten bekleidete. Ihre reguläre Amtszeit von vier Jahren hätte noch bis 2026 gedauert.
«Das Vertrauensverhältnis ist nachhaltig gestört», erklärte Prof. Dr. Michael Schmidt, Sprecher des Akademischen Senats. «Trotz intensiver Gespräche in den vergangenen Monaten sehen wir keine gemeinsame Basis mehr für eine konstruktive Zusammenarbeit.» Schmidt betonte, die Entscheidung sei nicht leichtfertig getroffen worden, sondern das Ergebnis längerer Konflikte in der Hochschulleitung.
Hintergrund der Abwahl sind offenbar tiefgreifende Differenzen zwischen Rauch und wichtigen Entscheidungsträgern der Universität. Nach Informationen aus Universitätskreisen gab es seit Monaten Spannungen bei zentralen Themen der Hochschulentwicklung. Besonders bei der Umsetzung des Strukturplans und bei Finanzentscheidungen prallten unterschiedliche Vorstellungen aufeinander.
«Frau Rauch hat mutige Reformideen vorangetrieben, die nicht von allen Fakultäten mitgetragen wurden», sagte Prof. Dr. Sabine Weber vom Institut für Mathematik, die zu den Unterstützerinnen der Präsidentin zählt. «Ihr Führungsstil war direkter als man es an der TU gewohnt war, aber genau das braucht eine moderne Universität.»
Die Studierendenvertretung zeigte sich überrascht vom Timing der Entscheidung. «Mitten in der Bewältigung der Folgen der Pandemie und angesichts der angespannten Haushaltslage Berlins hätten wir uns mehr Stabilität in der Universitätsleitung gewünscht», erklärte Jana Hoffmann vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA).
Die TU Berlin gehört mit rund 33.000 Studierenden zu den größten technischen Universitäten Deutschlands. Sie steht wie andere Berliner Hochschulen vor erheblichen finanziellen Herausforderungen durch Kürzungen im Landeshaushalt. Die aktuelle Führungskrise kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.
Rauch selbst äußerte sich noch am selben Tag zu ihrer Abwahl: «Ich bedauere diese Entscheidung sehr, respektiere aber selbstverständlich das demokratische Votum des Akademischen Senats.» Sie sei angetreten, um die TU Berlin zukunftsfähig zu machen und habe wichtige Reformen angestoßen. «Manchmal bedeutet Veränderung auch Widerstand. Ich wünsche der TU Berlin für die Zukunft alles Gute.»
Die 42-jährige Rauch hatte vor ihrer Tätigkeit als TU-Präsidentin am King’s College London geforscht und gelehrt. Mit ihrer Wahl im Jahr 2022 hatte die TU Berlin ein deutliches Zeichen für mehr Diversität in der Hochschullandschaft gesetzt. Sie war eine der jüngsten Universitätspräsidentinnen Deutschlands.
«Der Anteil von Frauen in Führungspositionen an deutschen Universitäten liegt immer noch unter 25 Prozent», erläutert Hochschulforscherin Dr. Marianne Becker vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung. «Rauchs Berufung war ein wichtiges Signal, das jetzt leider einen Dämpfer erhält.»
Nach der Satzung der TU Berlin muss nun innerhalb von drei Monaten ein neues Wahlverfahren eingeleitet werden. Bis zur Wahl einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers übernimmt der bisherige Vizepräsident für Forschung, Prof. Dr. Thomas Müller, kommissarisch die Amtsgeschäfte.
Wissenschaftssenator Alexander Fischer kündigte an, das Gespräch mit allen Beteiligten zu suchen. «Die TU Berlin ist eine Schlüsselinstitution für den Wissenschafts- und Innovationsstandort Berlin. Ich erwarte, dass die Universität schnell wieder handlungsfähig wird und ihre wichtige Arbeit fortsetzen kann.»
In akademischen Kreisen wird die Abwahl kontrovers diskutiert. Einige sehen darin einen Rückschlag für notwendige Modernisierungsprozesse, andere betonen die Bedeutung eines kooperativen Führungsstils gerade in Zeiten knapper Ressourcen.