In einem Dortmunder Wohngebiet kam es am Mittwochmorgen zu einem aufsehenerregenden Polizeieinsatz. Spezialkräfte stürmten die Wohnung einer Familie, nachdem ein schockierendes Video in den sozialen Medien aufgetaucht war. Die Aufnahmen zeigen, wie Eltern ihren minderjährigen Sohn misshandeln.
Das verstörende Video verbreitete sich schnell über WhatsApp und andere Plattformen. Besorgte Bürger alarmierten die Polizei, die umgehend handelte. «Wir haben zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung erhalten und sofort reagiert», erklärte Polizeisprecherin Carolin Lange. Die Beamten nahmen die Gefahr für das Kind ernst und zogen Spezialeinsatzkräfte hinzu.
Gegen 7:30 Uhr drang das SEK-Team in die Wohnung im Dortmunder Norden ein. Die Eltern, ein 28-jähriger Mann und seine 27-jährige Frau, wurden vorläufig festgenommen. Der betroffene Junge und zwei weitere Kinder wurden in die Obhut des Jugendamtes übergeben. Nach ersten Erkenntnissen erlitt das Kind keine schweren körperlichen Verletzungen, wird jedoch psychologisch betreut.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Kindesmisshandlung und häuslicher Gewalt. «Wir gehen mit aller Härte gegen Gewalt an Kindern vor», betonte Oberstaatsanwältin Barbara Schmidt. Den Eltern drohen empfindliche Strafen – bis zu zehn Jahre Haft sind bei schwerer Kindesmisshandlung möglich.
Der Fall hat in Dortmund Bestürzung ausgelöst. Nachbarn zeigten sich schockiert. «Die Familie wirkte nach außen ganz normal», sagte eine Anwohnerin, die anonym bleiben möchte. «Wir hätten nie gedacht, dass hinter verschlossenen Türen solche schrecklichen Dinge passieren.»
Experten des Kinderschutzbundes Dortmund melden sich nach dem Vorfall zu Wort. «Leider sind solche Fälle keine Seltenheit. Die Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt gegen Kinder ist erschreckend hoch», erklärt Sozialpädagogin Martina Weber. Im vergangenen Jahr verzeichneten die Behörden bundesweit über 4.000 Fälle von Kindesmisshandlung – Tendenz steigend.
Die schnelle Reaktion der Polizei wird von Kinderschützern gelobt. «Das konsequente Einschreiten nach Hinweisen aus der Bevölkerung hat möglicherweise Schlimmeres verhindert», so Weber. Sie appelliert an die Öffentlichkeit, bei Verdachtsfällen nicht wegzuschauen, sondern aktiv zu werden und Behörden zu informieren.
Die Familie war bislang nicht polizeibekannt. Nun wird geprüft, ob und unter welchen Umständen die Kinder zu ihrer Familie zurückkehren können. Das Jugendamt wird in den kommenden Wochen entscheiden, ob langfristige Schutzmaßnahmen nötig sind.
Der Fall zeigt einmal mehr die wichtige Rolle sozialer Medien bei der Aufdeckung von Missbrauchsfällen. «Einerseits ist die Verbreitung solcher Videos problematisch, andererseits führte sie hier dazu, dass schnell geholfen werden konnte», erläutert Medienwissenschaftlerin Dr. Hannah Becker von der TU Dortmund.
Die Polizei bittet die Bevölkerung, das Video nicht weiterzuverbreiten. «Die Würde des betroffenen Kindes muss geschützt werden», mahnt Polizeisprecherin Lange. Stattdessen sollten verdächtige Inhalte direkt an die Behörden weitergeleitet werden.
Für Betroffene und Zeugen von Kindesmisshandlung gibt es Hilfsangebote: Die «Nummer gegen Kummer» (116 111) bietet anonyme Beratung für Kinder und Jugendliche. Auch das Jugendamt Dortmund hat eine Notfallhotline eingerichtet.