Recycling im Bausektor: München setzt auf mehr Nachhaltigkeit bei städtischen Bauvorhaben
Die Stadt München will beim Bauen nachhaltiger werden. Der Stadtrat hat einen neuen Plan verabschiedet, der die Recyclingquote im Bausektor deutlich erhöhen soll. Künftig sollen bei städtischen Bauprojekten mindestens 30 Prozent der verwendeten Materialien aus Recycling stammen. Diese Entscheidung ist Teil der Münchner Klimastrategie und soll helfen, die Umweltbelastung durch den Bausektor zu verringern.
«Der Bausektor ist einer der größten Verursacher von CO2-Emissionen und Ressourcenverbrauch in unserer Stadt», erklärte Baureferentin Christine Kugler bei der Vorstellung des Konzepts. «Mit der neuen Recyclingquote gehen wir einen wichtigen Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft.»
Die neue Regelung gilt zunächst für alle städtischen Bauvorhaben, darunter Schulen, Verwaltungsgebäude und Wohnungsbau der städtischen Gesellschaften. Private Bauherren sind noch nicht verpflichtet, diese Quote zu erfüllen, sollen aber durch Anreizprogramme motiviert werden, ähnliche Standards anzuwenden.
Warum Baurecycling so wichtig ist
Die Baubranche verbraucht enorme Mengen an Rohstoffen. In München fallen jährlich etwa 1,2 Millionen Tonnen Bauschutt an, von denen bisher nur etwa 15 Prozent wiederverwertet werden. Der Rest landet auf Deponien oder wird für minderwertige Zwecke wie Straßenunterbau verwendet.
Dabei birgt Bauschutt wertvolle Materialien: Beton kann zerkleinert und als Zuschlagstoff für neuen Beton verwendet werden. Ziegel lassen sich zu Schüttungen verarbeiten. Metalle, Holz und Kunststoffe können ebenfalls aufbereitet und wiederverwendet werden.
«Jede Tonne recyceltes Material spart nicht nur Deponiefläche, sondern auch die Energie und CO2-Emissionen, die bei der Herstellung neuer Baustoffe entstehen würden», betonte Umweltreferentin Christine Kugler.
Konkrete Maßnahmen für mehr Baurecycling
Um die neue Quote zu erreichen, hat die Stadt mehrere Maßnahmen beschlossen:
- Bei Abrissarbeiten wird künftig ein selektiver Rückbau vorgeschrieben, bei dem verschiedene Materialien getrennt und für die Wiederverwertung vorbereitet werden.
- Die Stadt richtet eine zentrale Datenbank ein, in der anfallende und benötigte Baumaterialien erfasst werden, um eine bessere Koordination zu ermöglichen.
- Für städtische Bauprojekte werden Mindestquoten für recycelte Materialien festgelegt: 30 Prozent bei Neubauten und 50 Prozent bei Sanierungen.
- Ein neues Kompetenzzentrum für nachhaltiges Bauen soll Bauherren und Architekten beraten und Innovationen fördern.
«Die Technik für hochwertiges Baurecycling ist vorhanden, sie muss nur konsequenter eingesetzt werden», erklärte Stadtbaurätin Elisabeth Merk. «Mit unserem Programm wollen wir zeigen, dass qualitätsvolles Bauen und Ressourcenschonung Hand in Hand gehen können.»
Herausforderungen bei der Umsetzung
Die Umstellung auf mehr Recycling im Bausektor bringt auch Herausforderungen mit sich. Viele Baufirmen und Planer haben wenig Erfahrung mit Recyclingmaterialien und sorgen sich um die Qualität und Kosten.
«Wir müssen Vorurteile abbauen und zeigen, dass recycelte Baustoffe den gleichen Standards entsprechen wie Primärmaterialien», sagte Josef Schmid, Leiter des neuen Kompetenzzentrums für nachhaltiges Bauen. «Außerdem arbeiten wir daran, die Logistikketten zu optimieren, damit das Material vom Abriss direkt zu neuen Baustellen transportiert werden kann.»
Eine weitere Hürde sind die aktuellen Bauvorschriften. Nicht für alle Anwendungen sind recycelte Materialien zugelassen. Die Stadt München will sich daher auf Bundesebene für eine Anpassung der entsprechenden Normen einsetzen.
Pilotprojekte zeigen das Potenzial
Einige Pilotprojekte in München demonstrieren bereits, was möglich ist. Bei der Sanierung der Grundschule an der Fürstenrieder Straße wurden über 40 Prozent recycelte Materialien verwendet. Beim Neubau eines Verwaltungsgebäudes im Kreativquartier wurden sogar 60 Prozent der Baustoffe aus Abbruchmaterial gewonnen.
«Die Ergebnisse sind beeindruckend», freut sich Oberbürgermeister Dieter Reiter. «Die Gebäude sind optisch von konventionellen Bauten nicht zu unterscheiden, haben aber einen deutlich geringeren ökologischen Fußabdruck.»
Besonders innovativ ist ein Projekt im neuen Stadtteil Freiham, wo ein komplettes Wohngebäude im «Urban Mining»-Prinzip entsteht. Dabei werden fast ausschließlich wiederverwendete Materialien eingesetzt, vom Fundament bis zum Dach.
Wirtschaftliche Chancen durch Baurecycling
Die neue Strategie bietet auch wirtschaftliche Chancen. «München kann sich als Innovationsstandort für nachhaltige Bautechnologien positionieren», erklärte Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner. «Wir rechnen damit, dass in diesem Bereich in den nächsten Jahren mehrere hundert neue Arbeitsplätze entstehen werden.»
Auch finanziell kann sich Recycling lohnen. Zwar sind die Planungskosten anfangs höher, doch mittelfristig rechnet die Stadt mit Einsparungen, da die Entsorgungskosten für Bauschutt steigen und neue Baumaterialien immer teurer werden.
Bürger können mitmachen
Auch die Münchner Bürger können zum Erfolg der Initiative beitragen. Bei privaten Bau- und Renovierungsprojekten lohnt es sich, auf recycelte Materialien zu setzen und Bauschutt sortenrein zu trennen.
Die Stadt plant Informationskampagnen und will Beratungsangebote für private Bauherren ausbauen. Zudem sollen finanzielle Anreize geschaffen werden, etwa durch vergünstigte Kredite für nachhaltige Bauprojekte.
«Der Weg zur Kreislaufwirtschaft im Bausektor ist eine Gemeinschaftsaufgabe», betont Umweltreferentin Kugler. «Wenn Stadt, Wirtschaft und Bürger an einem Strang ziehen, kann München zum Vorbild für ganz Deutschland werden.»
Die neue Recyclingquote soll ab Januar 2024 verbindlich sein. Der Erfolg wird regelmäßig überprüft und die Maßnahmen bei Bedarf angepasst. Das langfristige Ziel der Stadt ist es, bis 2035 eine Recyclingquote von mindestens 50 Prozent im gesamten Münchner Bausektor zu erreichen.