Die Anwohner der Kurmainzer Straße im Frankfurter Stadtteil Sossenheim reiben sich verwundert die Augen. Seit vergangener Woche gilt in ihrer Wohnstraße eine komplett neue Parkregelung – eingeführt ohne jede Vorwarnung und offenbar ohne Beteiligung der lokalen politischen Gremien.
«Ich kam von der Arbeit nach Hause und plötzlich standen überall diese neuen Schilder», berichtet Anna Meyer, die seit 15 Jahren in der Straße wohnt. «Keiner wusste etwas davon, und plötzlich müssen wir uns alle umstellen.»
Die neue Regelung sieht vor, dass auf der westlichen Straßenseite künftig das Parken vollständig untersagt ist, während auf der östlichen Seite nur noch mit einer Parkscheibe für maximal zwei Stunden geparkt werden darf. Für die rund 120 Anwohnerhaushalte bedeutet dies einen massiven Einschnitt, da viele von ihnen auf Straßenparkplätze angewiesen sind.
Ortsbeirat übergangen
Der Vorsitzende des Ortsbeirats 6, Christian Schneider, zeigt sich im Gespräch mit unserer Zeitung empört: «Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Das Straßenverkehrsamt hat die Maßnahme ohne jede Rücksprache mit dem Ortsbeirat umgesetzt. Das ist ein klarer Verstoß gegen die demokratischen Spielregeln in unserer Stadt.»
Der Ortsbeirat hatte sich in den vergangenen Jahren mehrfach mit der Parksituation in der Kurmainzer Straße beschäftigt. Eine so drastische Einschränkung stand jedoch nie zur Debatte. Stattdessen hatte das Gremium moderatere Lösungen vorgeschlagen, etwa Anwohnerparkausweise oder ein alternierendes Parksystem.
«Die jetzige Lösung ist keine Lösung, sondern schafft nur neue Probleme», erklärt Schneider. «Die Menschen müssen irgendwo parken. Jetzt werden die umliegenden Straßen noch voller, und der Parkdruck verteilt sich lediglich um.»
Behörde verweist auf Sicherheitsaspekte
Das Straßenverkehrsamt begründet sein Vorgehen auf Anfrage mit «akuten Sicherheitsbedenken«. Laut Amtsleiter Thomas Keller habe die bisherige Parksituation dazu geführt, dass Rettungsfahrzeuge die Straße teilweise nicht mehr passieren konnten.
«Wir haben mehrere Beschwerden von Feuerwehr und Rettungsdiensten erhalten», so Keller. «In solchen Fällen sind wir gesetzlich verpflichtet, umgehend zu handeln. Eine längere Konsultationsphase hätten wir uns gewünscht, war aber aus Sicherheitsgründen nicht möglich.»
Diese Darstellung stößt im Ortsbeirat auf Unverständnis. «Die Situation in der Kurmainzer Straße besteht seit Jahren unverändert», kontert Schneider. «Wenn tatsächlich akute Sicherheitsbedenken bestanden hätten, wäre es die Pflicht des Amtes gewesen, uns frühzeitig zu informieren.»
Anwohner organisieren Protest
Mittlerweile haben die Anwohner eine Bürgerinitiative gegründet. Mehr als 80 Unterschriften wurden bereits gesammelt, um gegen die neue Regelung zu protestieren. Für kommenden Samstag ist eine Demonstration vor dem Sossenheimer Bürgerhaus geplant.
«Wir sind keine Verkehrsrowdys und verstehen, dass Rettungswege freigehalten werden müssen», erklärt Initiative-Sprecherin Carola Bauer. «Aber diese Regelung trifft vor allem Familien und ältere Menschen, die auf ihr Auto angewiesen sind. Wir fordern zumindest Anwohnerparkausweise oder zeitlich begrenzte Halteverbote.»
Besonders ärgerlich: In der Straße leben überdurchschnittlich viele Seniorinnen und Senioren sowie Familien mit kleinen Kindern. «Meine 82-jährige Mutter kann nicht einfach drei Straßen weiter parken und dann mit ihren Einkäufen nach Hause laufen», sagt Anwohnerin Stefanie Weber. «Die Stadt muss Lösungen finden, die alle Bedürfnisse berücksichtigen.»
Politischer Druck wächst
Der Konflikt schlägt mittlerweile auch Wellen in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. Die lokalen Abgeordneten haben eine Anfrage an den Magistrat gestellt, um das Vorgehen des Straßenverkehrsamtes zu erklären.
«Das Amt hat seine Kompetenzen überschritten», kritisiert Stadtverordneter Michael Heinz. «Natürlich hat die Sicherheit Vorrang, aber gerade dann ist es wichtig, die Betroffenen mitzunehmen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.»
Die SPD-Fraktion im Ortsbeirat hat bereits einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, der eine sofortige Überprüfung der Maßnahme fordert. Auch aus den Reihen der CDU und der Grünen kommt Kritik am Vorgehen der Behörde.
Wie geht es weiter?
Für die Anwohner beginnt nun eine Zeit der Unsicherheit. Viele berichten, dass bereits Strafzettel verteilt wurden, obwohl die neue Regelung kaum bekannt ist. Das Ordnungsamt führt seit dem Wochenende verstärkt Kontrollen durch.
Das Straßenverkehrsamt hat angekündigt, die Situation «zu beobachten» und gegebenenfalls nachzusteuern. Ein Sprecher ließ durchblicken, dass man über Ausnahmeregelungen für Anwohner nachdenken könne.
Der Ortsbeirat fordert hingegen eine sofortige Aussetzung der Maßnahme und einen runden Tisch mit allen Beteiligten. «Wir müssen zurück zu einem demokratischen Prozess», betont Schneider. «Die Anwohner und ihre gewählten Vertreter müssen gehört werden.»
In der nächsten Sitzung des Ortsbeirats am kommenden Dienstag soll das Thema ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Die Sitzung wurde kurzfristig in einen größeren Saal verlegt, da mit zahlreichen Besuchern gerechnet wird.
«Am Ende brauchen wir eine Lösung, die sowohl die Sicherheit gewährleistet als auch den Bedürfnissen der Anwohner gerecht wird», fasst Schneider zusammen. «Aber der Weg dorthin muss gemeinsam gegangen werden, nicht durch einsame Entscheidungen am grünen Tisch.»