In Berlin beginnen heute die mit Spannung erwarteten Friedensgespräche zur Ukraine-Krise. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj traf gestern Abend in der Hauptstadt ein, wo ihn Bundeskanzler Friedrich Merz persönlich am Flughafen begrüßte. Die Verhandlungen gelten als entscheidender Versuch, den seit über drei Jahren andauernden Konflikt zu beenden.
«Dieser Moment könnte ein Wendepunkt sein», erklärte Selenskyj bei seiner Ankunft. «Die Ukraine hat einen hohen Preis für ihre Freiheit bezahlt. Jetzt ist es Zeit, einen gerechten Frieden zu finden.» Die Gespräche finden im Schloss Bellevue statt, wo strenge Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden.
Rund 20 internationale Delegationen nehmen an den Verhandlungen teil. Besonders bemerkenswert ist die Anwesenheit eines russischen Vertreters, des stellvertretenden Außenministers Dmitri Witkoff. Es ist das erste Mal seit Kriegsbeginn, dass hochrangige ukrainische und russische Regierungsvertreter direkt am selben Tisch sitzen.
Die Bundesregierung hat monatelang im Hintergrund gearbeitet, um diese Gespräche zu ermöglichen. «Deutschland nimmt seine Verantwortung für Frieden in Europa ernst», betonte Außenministerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. «Wir bieten nicht nur einen neutralen Ort, sondern auch unsere volle diplomatische Unterstützung.»
Im Mittelpunkt der Verhandlungen steht ein vom internationalen Vermittlerteam erarbeiteter Fünf-Punkte-Plan. Er umfasst einen vollständigen Waffenstillstand, den schrittweisen Rückzug russischer Truppen, Sicherheitsgarantien für die Ukraine, den Wiederaufbau und einen Status für die umstrittenen Gebiete im Osten.
Die Ausgangslage bleibt jedoch schwierig. In der Ostukraine gab es noch gestern heftige Kämpfe. Politikwissenschaftlerin Claudia Weber von der Universität Leipzig dämpft zu hohe Erwartungen: «Wir sollten realistisch bleiben. Die Positionen liegen noch weit auseinander. Aber dass diese Gespräche überhaupt stattfinden, ist bereits ein diplomatischer Durchbruch.»
In Berlin haben sich auch hunderte Demonstranten versammelt. Vor dem Brandenburger Tor forderten sie einen «Frieden in Würde» für die Ukraine. «Wir stehen hier, weil die Ukraine nicht vergessen werden darf», sagte Organisatorin Natalia Klitschko. «Ein Frieden darf nicht bedeuten, dass wir unsere Freiheit aufgeben.»
Parallel zu den offiziellen Gesprächen finden zivilgesellschaftliche Dialogforen statt. Hier treffen sich Vertreter ukrainischer und russischer Nichtregierungsorganisationen, um Versöhnungsmöglichkeiten auszuloten.
Wirtschaftsexperten betonen die Bedeutung eines Friedensschlusses für Europa. «Die Kriegsfolgen haben die europäische Wirtschaft jährlich etwa 180 Milliarden Euro gekostet», erklärt Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. «Ein stabiler Frieden würde nicht nur Menschenleben retten, sondern auch wirtschaftliche Erholung ermöglichen.»
Die Verhandlungen sind zunächst auf drei Tage angesetzt, könnten aber verlängert werden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird die Gespräche heute mit einer Rede zur europäischen Friedensordnung eröffnen.
Die Welt blickt gespannt nach Berlin. UN-Generalsekretär António Guterres, der ebenfalls teilnimmt, sprach von einer «seltenen Chance für Frieden, die nicht verpasst werden darf.» Die kommenden Tage werden zeigen, ob diese Hoffnung berechtigt ist.