Gestern Abend versank der Berliner Regierungsviertel im typischen Novembergrau. Doch die Stimmung im Kanzleramt war alles andere als trüb. Beim kurzfristig einberufenen Ukraine-Gipfel haben sich europäische Staaten auf einen historischen Schritt geeinigt: Eine gemeinsame Schutztruppe soll das kriegsgebeutelte Land unterstützen.
Die Initiative kommt in einem kritischen Moment. Während die Ukraine weiter unter russischen Angriffen leidet, schwinden ihre Ressourcen. «Wir können nicht länger zusehen, wie ein souveräner europäischer Staat um sein Überleben kämpft», erklärte der französische Präsident Emmanuel Macron während der Pressekonferenz. Die geplante Schutztruppe soll primär Ausbildung, logistische Unterstützung und Grenzsicherung übernehmen.
Bemerkenswert ist die Geschwindigkeit, mit der das Vorhaben vorangetrieben wird. Erst letzte Woche hatte ich mit einem Diplomaten aus Osteuropa gesprochen, der die «zermürbende Langsamkeit europäischer Entscheidungsprozesse» beklagte. Nun diese Kehrtwende. Deutschland nimmt überraschend eine Führungsrolle ein, nachdem die Bundesregierung monatelang als zögerlich galt.
Kritiker warnen vor einer Eskalation. Befürworter sehen darin ein längst überfälliges Signal europäischer Handlungsfähigkeit. Die Details zur Zusammensetzung und zum Einsatzgebiet bleiben vorerst vage. Finnland und Polen haben bereits konkrete Truppenkontingente in Aussicht gestellt.
Was bedeutet dieser Schritt für die europäische Sicherheitsarchitektur? Erleben wir gerade die Geburtsstunde einer echten europäischen Verteidigungspolitik jenseits der NATO? Die kommenden Wochen werden zeigen, ob dem gestrigen Bekenntnis zur europäischen Solidarität auch Taten folgen. Der Weg vom Berliner Konferenztisch in die ukrainische Realität ist weit.