In Hamburg startet ein innovatives Verkehrsexperiment, das besonders den Kleinsten zugutekommen soll. Seit dieser Woche tauchen im Hamburger Stadtbild ungewöhnliche Markierungen auf – Mini-Zebrastreifen, die speziell für mehr Sicherheit an Übergängen ohne reguläre Fußgängerüberwege sorgen sollen.
Die neuen Markierungen sind seit Montag an drei Standorten im Bezirk Hamburg-Nord zu finden: in der Fuhlsbüttler Straße, der Alsterdorfer Straße und im Übergang zwischen Wiesendamm und City Nord. Sie bestehen aus unterbrochenen weißen Linien, die anders als herkömmliche Zebrastreifen keine rechtliche Verbindlichkeit haben, aber dennoch eine wichtige Orientierungshilfe bieten sollen.
«Unser Ziel ist es, besonders Kindern und älteren Menschen mehr Sicherheit beim Überqueren der Straße zu geben», erklärt Verkehrssenator Anjes Tjarks. «Die Mini-Zebrastreifen markieren empfohlene Querungsstellen und machen Autofahrer aufmerksam, ohne den rechtlichen Status eines echten Fußgängerüberwegs zu haben.»
Das Pilotprojekt ist zunächst auf sechs Monate angelegt. In dieser Zeit will die Verkehrsbehörde beobachten, wie die neuen Markierungen angenommen werden und ob sie tatsächlich zu mehr Sicherheit führen. Die Standorte wurden nicht zufällig gewählt: Es handelt sich um Stellen, an denen viele Fußgänger die Straße überqueren, ein regulärer Zebrastreifen aber aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist.
«An diesen Orten haben wir festgestellt, dass viele Schulkinder und ältere Menschen häufig Schwierigkeiten haben, eine sichere Lücke im Verkehr zu finden», berichtet Michael Werner-Boelz, Bezirksamtsleiter in Hamburg-Nord. «Mit den Mini-Zebrastreifen schaffen wir Aufmerksamkeit bei allen Verkehrsteilnehmern.»
Die rechtliche Situation ist eindeutig: Anders als bei einem regulären Zebrastreifen haben Fußgänger hier kein Vorrecht. Dennoch hofft die Stadt, dass die Markierungen zu mehr gegenseitiger Rücksichtnahme führen. Autofahrer sind weiterhin verpflichtet, defensiv zu fahren und besonders auf Fußgänger zu achten.
Das Hamburger Experiment orientiert sich an ähnlichen Projekten aus anderen Städten wie Berlin und München, wo vergleichbare Markierungen bereits positive Effekte gezeigt haben. Nach Angaben der Verkehrsbehörde führten die Mini-Zebrastreifen dort zu einer durchschnittlichen Reduzierung der Geschwindigkeit um 7 km/h und einer erhöhten Aufmerksamkeit der Autofahrer.
Neben den Markierungen selbst werden an den Teststandorten auch zusätzliche Schilder angebracht, die auf die empfohlenen Querungsstellen hinweisen. Außerdem wurden die Bereiche besser ausgeleuchtet, um gerade in den dunklen Wintermonaten für mehr Sicherheit zu sorgen.
Die Hamburger Verkehrswacht begrüßt das Projekt. «Jede Maßnahme, die zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr beiträgt, ist zu befürworten», sagt Vorstandsmitglied Claudia Stein. «Besonders Kinder brauchen klare Orientierungspunkte, und diese neuen Markierungen könnten genau das bieten.»
Kritiker geben jedoch zu bedenken, dass die unverbindlichen Markierungen auch zu Missverständnissen führen könnten. «Es besteht die Gefahr, dass Fußgänger die Mini-Zebrastreifen mit echten Überwegen verwechseln und sich in falscher Sicherheit wiegen», warnt der Verkehrsexperte Thomas Müller vom ADAC Hansa.
Die Stadt hat deshalb eine Informationskampagne gestartet, die über die neuen Markierungen aufklärt. In Schulen und Senioreneinrichtungen im Umfeld der Teststrecken werden Flyer verteilt und Informationsveranstaltungen abgehalten.
Anwohner zeigen sich überwiegend positiv. «Ich finde die Idee gut», sagt Monika Weber, die täglich an einem der neuen Mini-Zebrastreifen vorbeikommt. «Besonders für die Kinder aus der nahen Grundschule könnte das eine große Hilfe sein.»
Die Kosten für das Pilotprojekt belaufen sich auf rund 45.000 Euro. Sollte sich das Konzept bewähren, plant die Stadt eine Ausweitung auf weitere Standorte. Nach Abschluss der Testphase im Sommer 2024 will die Verkehrsbehörde eine umfassende Auswertung vornehmen.
«Wir hoffen, dass die Mini-Zebrastreifen zu einer spürbaren Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen», betont Verkehrssenator Tjarks. «Sollte das der Fall sein, könnten sie ein fester Bestandteil unseres Verkehrssicherheitskonzepts werden.»
Hamburgs Stadtbild verändert sich damit erneut im Sinne einer fußgängerfreundlicheren Gestaltung. Nach der Einführung von Tempo-30-Zonen in Wohngebieten und dem Ausbau von Radwegen sind die Mini-Zebrastreifen ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einer sichereren und lebenswerten Stadt.