In Essen sorgt die deutliche Erhöhung der Gebühren für Rettungswageneinsätze für Unruhe in der Bevölkerung und unter medizinischen Fachkräften. Seit Jahresbeginn müssen Patienten für einen Rettungswagen mit Notfallsanitätern 1.159 Euro zahlen – fast 400 Euro mehr als im Vorjahr. Diese Preissteigerung von über 50 Prozent bei Einsätzen mit Notfallsanitätern und 33 Prozent bei solchen mit Notarzt weckt Bedenken in medizinischen Kreisen.
«Wir befürchten, dass Menschen in echten Notlagen aus Angst vor hohen Kosten keinen Rettungswagen mehr rufen», erklärt Dr. Matthias Blum von der Essener Ärztekammer. «Das könnte im schlimmsten Fall Leben kosten.» Die Ärztevertreter beobachten die Entwicklung mit Sorge, da bereits jetzt einige Patienten zögern, den Notruf zu wählen.
Die Stadt Essen begründet die Erhöhung mit gestiegenen Personalkosten und Investitionen in moderne Rettungsfahrzeuge. «Wir müssen die tatsächlichen Kosten des Rettungsdienstes abdecken», erklärt ein Sprecher der Feuerwehr Essen, die für den Rettungsdienst zuständig ist. Die letzte Gebührenanpassung lag mehrere Jahre zurück, was zu einem größeren Sprung führte.
Für die meisten Bürger ändert sich trotz der höheren Gebühren finanziell wenig, da die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten bei medizinisch notwendigen Einsätzen übernehmen. Problematisch wird es jedoch für Selbstzahler oder bei Einsätzen, die später als nicht notwendig eingestuft werden. In diesen Fällen können die Kassen die Zahlung verweigern oder Patienten müssen einen Teil selbst tragen.
Bei einem Einsatz mit Notarzt fallen in Essen jetzt 1.340 Euro an – im Vergleich zu 1.007 Euro im Jahr 2023. «Nicht jeder Rettungswageneinsatz ist gleich ein Notfall», erklärt der Notarzt Dr. Thomas Weber. «Manchmal stellt sich vor Ort heraus, dass kein Notfall vorliegt, aber diese Einschätzung kann ein Laie am Telefon oft nicht treffen.»
Die Essener Ärztekammer und der Rettungsdienst arbeiten nun an Aufklärungskampagnen. Sie wollen informieren, wann der Notruf 112 die richtige Wahl ist und wann alternative Dienste wie der ärztliche Bereitschaftsdienst unter 116117 kontaktiert werden sollten.
«Bei Verdacht auf Herzinfarkt, Schlaganfall oder anderen lebensbedrohlichen Situationen sollte niemals aus Kostengründen auf den Notruf verzichtet werden», betont Dr. Blum. «Die Gesundheit geht vor, und im Zweifelsfall ist es immer besser, den Rettungsdienst zu rufen.»
Die Stadt verweist darauf, dass die Gebührenordnung nicht willkürlich festgelegt wurde, sondern auf einer detaillierten Kostenrechnung basiert. Vergleichbare Großstädte im Ruhrgebiet haben ähnliche Preisanpassungen vorgenommen.
Patientenvertreter fordern nun mehr Transparenz bei der Kostenübernahme. «Viele Menschen wissen nicht, wann ihre Krankenkasse zahlt und wann nicht», sagt Maria Schmidt von der Patientenberatungsstelle Essen. «Diese Unsicherheit führt zu Ängsten, die im Notfall gefährlich werden können.»
Die Feuerwehr Essen betont, dass die Entscheidung, ob ein Rettungswagen geschickt wird, weiterhin allein nach medizinischen Kriterien erfolgt. Die Leitstelle bewertet jeden Anruf nach einem standardisierten Abfragesystem, um die Dringlichkeit einzuschätzen.
Für Senioren und chronisch Kranke – Gruppen, die besonders häufig den Rettungsdienst benötigen – plant die Stadt Informationsveranstaltungen. Dabei soll erklärt werden, wann welcher Notdienst die richtige Anlaufstelle ist und wie die Kostenübernahme geregelt ist.