Berliner Senat beschließt Gedenktag gegen Islamfeindlichkeit – Kontroverse um Symbolik und Zeitpunkt
In einer Stadt, die für ihre kulturelle Vielfalt bekannt ist, hat der Berliner Senat einen bedeutsamen Schritt unternommen. Am vergangenen Dienstag wurde die Einführung eines Gedenktags gegen Islamfeindlichkeit beschlossen. Der neue Gedenktag soll jährlich am 19. Februar begangen werden – ein Datum, das nicht zufällig gewählt wurde.
Der 19. Februar markiert den Jahrestag des rassistischen Anschlags in Hanau 2020, bei dem ein rechtsextremer Täter neun Menschen mit Migrationshintergrund ermordete. Die meisten Opfer hatten muslimischen Glauben. Nach der Tat tötete der Attentäter seine Mutter und sich selbst.
«Mit diesem Gedenktag setzen wir ein klares Zeichen gegen die zunehmende Diskriminierung von Muslimen in unserer Gesellschaft», erklärte die Senatorin für Antidiskriminierung, Cansel Kiziltepe (SPD). Die Entscheidung fällt in eine Zeit, in der islamfeindliche Vorfälle bundesweit zunehmen.
Laut aktueller Statistiken wurden im vergangenen Jahr über 1.000 islamfeindliche Straftaten in Deutschland registriert. In Berlin, wo etwa 350.000 Muslime leben, sind islamophobe Übergriffe und Diskriminierungserfahrungen Teil des Alltags vieler Bürger.
Der Gedenktag soll nicht nur an die Opfer von Hanau erinnern, sondern auch Raum für Bildungsarbeit und Dialog schaffen. Die Senatsplanung sieht vor, jährlich Veranstaltungen zu organisieren, die das Bewusstsein für Islamfeindlichkeit schärfen und Begegnungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen fördern sollen.
Die Entscheidung stößt jedoch nicht überall auf Zustimmung. Kritiker aus konservativen Kreisen und der CDU bemängeln den Zeitpunkt. Marcel Luthe, Mitglied des Abgeordnetenhauses, äußerte: «Es wirkt befremdlich, ausgerechnet den Jahrestag eines antisemitisch motivierten Anschlags für diesen Zweck zu wählen, besonders in Zeiten steigenden Antisemitismus.»
Der Anschlag von Hanau hatte neben rassistischen auch antisemitische Motive, wie aus den Aufzeichnungen des Täters hervorging. Diese Überschneidung macht die Symbolik des Datums für einige problematisch.
Unterstützer des Gedenktags hingegen betonen, dass gerade die Verbindung verschiedener Formen von Diskriminierung wichtig sei. «Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit entspringen oft denselben Denkmustern», erklärt Tahera Ahmed vom Berliner Rat der Religionen. «Ein solcher Gedenktag kann helfen, diese Zusammenhänge zu verstehen.»
Die Einführung des Gedenktags fällt in eine Zeit erhöhter Spannungen. Seit dem Hamas-Angriff auf Israel und dem Gaza-Krieg haben sowohl antisemitische als auch islamfeindliche Vorfälle in Deutschland zugenommen. In Berlin wurden mehrere Moscheen mit Drohbriefen und Vandalismus zur Zielscheibe.
Gleichzeitig bemühen sich zahlreiche Initiativen um Dialog und Versöhnung. Das «Bündnis gegen Hass» vereint in Berlin jüdische, muslimische und christliche Gemeinden, die gemeinsam gegen alle Formen von Diskriminierung eintreten.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) betonte bei der Ankündigung die Notwendigkeit, alle Formen von Hass zu bekämpfen. «In unserer vielfältigen Stadt ist kein Platz für Ausgrenzung, egal gegen welche Gruppe sie sich richtet.»
Der neue Gedenktag reiht sich ein in bestehende Gedenkveranstaltungen der Stadt, darunter der Holocaust-Gedenktag am 27. Januar und der Internationale Tag gegen Rassismus am 21. März. Ob die Symbolik des 19. Februar langfristig die gewünschte verbindende Wirkung entfalten kann, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen.
Fest steht: Berlin setzt mit diesem Beschluss ein Signal. In einer Stadt, die ihre Vielfalt als Stärke begreift, soll der neue Gedenktag dazu beitragen, Brücken zu bauen und Verständnis zu fördern – in einer Zeit, in der gesellschaftliche Gräben tiefer zu werden drohen.