Die Schulhöfe Deutschlands gleichen manchmal stillen Schlachtfeldern der Selbstbehauptung. Besonders für Jungen. «Heul nicht wie ein Mädchen», «Stell dich nicht so an» – Sätze, die ich letzte Woche beim Schulbesuch in Kreuzberg wieder hörte. Der Umgang mit traditionellen Männlichkeitsbildern bleibt eine gesellschaftliche Herausforderung. Besonders dort, wo junge Menschen ihre Identität formen.
In Gesprächen mit Lehrkräften zeigt sich ein komplexes Bild. «Viele Jungen tragen schwer an veralteten Männlichkeitsidealen», erklärt Sozialpädagoge Martin Weber vom Berliner Netzwerk für Jungenarbeit. «Sie fürchten nichts mehr als Schwäche zu zeigen.» Diese Angst führt oft zu problematischen Verhaltensmustern. Nicht selten resultieren daraus Konflikte oder sogar Gewalt.
Als ich einen Projekttag zur Geschlechterreflexion begleitete, beobachtete ich erstaunliche Veränderungen. Jungs, die anfangs cool und distanziert wirkten, öffneten sich langsam. Ein Schüler gestand unter Tränen, wie sehr ihn der ständige Druck belaste, stark sein zu müssen. Solche Momente zeigen, wie befreiend echte Gesprächsräume sein können.
Erfreulicherweise entstehen bundesweit mehr Programme, die alternative Männlichkeitsbilder fördern. Workshops für emotionale Kompetenz, Selbstreflexion und gewaltfreie Kommunikation finden zunehmend Eingang in Schulalltage. Die Herausforderung bleibt groß. Doch wenn wir echten gesellschaftlichen Wandel wollen, müssen wir bei unseren Jungen beginnen. Sie verdienen mehr als einengende Stereotypen.