In der Hauptstadt strömen wieder mehr Menschen zu den Bahnhöfen als je zuvor. Der Fahrgastrekord von 2023 zeigt: Berlin ist nicht nur Deutschlands größte Stadt, sondern auch ein Magnet für Reisende aus aller Welt. Besonders überraschend: Ein Bahnhof im Osten der Stadt hat es bundesweit auf Platz eins geschafft.
Täglich nutzen mehr als 1,5 Millionen Menschen die Berliner Bahnhöfe. Die Deutsche Bahn verzeichnete im vergangenen Jahr einen deutlichen Anstieg der Fahrgastzahlen. Nach den schwierigen Corona-Jahren kehren die Menschen zum öffentlichen Nahverkehr zurück – und das in Rekordzahlen.
Der Ostbahnhof in Friedrichshain hat sich zum Fahrgastmagneten entwickelt. Mit täglich über 180.000 Ein- und Aussteigern liegt er bundesweit an der Spitze. «Der Ostbahnhof profitiert von seiner zentralen Lage zwischen den beliebten Ausgehvierteln in Friedrichshain und der Nähe zu touristischen Hotspots wie der East Side Gallery», erklärt Verkehrssenatorin Ute Bänsch.
Die Gründe für den Erfolg sind vielfältig. Der Bahnhof ist nicht nur ein wichtiger Umsteigeknoten für Pendler, sondern auch Ausgangspunkt für viele Touristen. Die zahlreichen Konzerte in der Mercedes-Benz Arena und Events am RAW-Gelände sorgen für zusätzliche Besucherströme. Zudem haben sich in den letzten Jahren viele neue Unternehmen und Start-ups in der Umgebung angesiedelt.
Der Berliner Hauptbahnhof bleibt mit täglich 170.000 Reisenden auf Platz zwei der meistfrequentierten Bahnhöfe der Stadt. Auf den weiteren Plätzen folgen Alexanderplatz, Gesundbrunnen und Südkreuz. Besonders der Alexanderplatz verzeichnete einen deutlichen Zuwachs, was Experten auf die Fertigstellung mehrerer Neubauprojekte in der Umgebung zurückführen.
Die steigenden Fahrgastzahlen stellen die Infrastruktur allerdings vor Herausforderungen. «Wir investieren massiv in die Modernisierung unserer Bahnhöfe«, sagt Kai Meyer, Sprecher der Deutschen Bahn Berlin. «Allein für den Ostbahnhof sind in den kommenden drei Jahren Renovierungsarbeiten im Wert von 45 Millionen Euro geplant.»
Die Pläne umfassen breitere Bahnsteige, zusätzliche Aufzüge und eine verbesserte Wegeleitung. Auch die Einkaufsmöglichkeiten sollen erweitert werden. «Ein Bahnhof ist heute mehr als nur ein Ort der Abreise und Ankunft», betont Meyer. «Er ist ein wichtiger Lebensraum für die Stadt.»
Nicht nur die großen Bahnhöfe profitieren vom Fahrgastboom. Auch kleinere Stationen wie Warschauer Straße und Landsberger Allee verzeichnen Zuwächse im zweistelligen Prozentbereich. «Das zeigt, dass die Menschen den öffentlichen Nahverkehr wieder stärker als Alternative zum Auto nutzen», freut sich Verkehrsexpertin Claudia Werner vom Verkehrsclub Deutschland.
Das 49-Euro-Ticket hat zu dieser Entwicklung maßgeblich beigetragen. Seit seiner Einführung nutzen deutlich mehr Menschen Regionalzüge für tägliche Pendelstrecken. «Der Preisvorteil überzeugt viele, vom Auto auf die Bahn umzusteigen», bestätigt Werner. Besonders die Pendlerströme aus dem Brandenburger Umland haben zugenommen.
Die Berliner Verkehrsbetriebe reagieren auf den Andrang mit einem Ausbau des Angebots. Ab Herbst 2024 sollen auf mehreren Linien zusätzliche Züge eingesetzt werden. In der Hauptverkehrszeit plant die S-Bahn einen Drei-Minuten-Takt auf den am stärksten frequentierten Strecken.
Anwohner sehen die Entwicklung zwiespältig. «Mehr Menschen bedeuten auch mehr Lärm und Gedränge», sagt Markus Schulz, der nahe dem Ostbahnhof wohnt. «Aber natürlich ist es gut für die lokalen Geschäfte und die Entwicklung des Viertels.»
Stadtplaner betrachten die hohen Fahrgastzahlen als Erfolg der Verkehrswende. «Berlin entwickelt sich zu einer Stadt der kurzen Wege, in der immer mehr Menschen ohne Auto mobil sein können», erklärt Stadtentwicklungsexperte Thomas Müller. Die gut ausgebaute Infrastruktur mache dies möglich.
Für die Zukunft plant die Stadt weitere Verbesserungen. Bessere Umsteigemöglichkeiten zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln, mehr Fahrradstellplätze an Bahnhöfen und digitale Informationssysteme in Echtzeit sollen das Reisen noch angenehmer machen.
Der Fahrgastrekord bestätigt Berlin als Vorreiter in Sachen öffentlicher Mobilität. Während in vielen anderen deutschen Städten der Autoverkehr dominiert, setzt die Hauptstadt konsequent auf Bahn, Bus und Fahrrad. Eine Strategie, die bei den Berlinern und den Millionen Besuchern der Stadt offensichtlich gut ankommt.