Die Wohnungskrise in Berlin verschärft sich weiter. Nach aktuellen Prognosen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wird die Hauptstadt auch 2025 ihr selbstgestecktes Ziel von 20.000 neuen Wohnungen deutlich verfehlen. Stattdessen rechnen Experten mit höchstens 12.500 fertiggestellten Wohneinheiten. Diese Entwicklung trifft besonders Familien mit mittlerem Einkommen und sozial schwächere Bevölkerungsgruppen.
«Die Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt bleibt äußerst angespannt», erklärt Bettina Meisel von der Mietervereinigung Berlin. «Wir sehen, dass immer mehr Menschen verzweifelt nach bezahlbarem Wohnraum suchen und dabei bis weit in die Außenbezirke ausweichen müssen.» Die durchschnittliche Kaltmiete bei Neuvermietungen liegt mittlerweile bei über 14 Euro pro Quadratmeter – für viele Berliner kaum noch erschwinglich.
Mehrere Faktoren bremsen den dringend benötigten Wohnungsbau in der Hauptstadt. Die gestiegenen Baukosten spielen dabei eine zentrale Rolle. Seit 2021 haben sich die Preise für Baumaterialien teilweise verdoppelt. Hinzu kommen die höheren Zinsen für Baukredite. «Was vor drei Jahren noch wirtschaftlich war, rechnet sich heute einfach nicht mehr», sagt Michael Weber vom Verband Berliner Bauunternehmen.
Ein weiteres Hindernis ist der schleppende Genehmigungsprozess in den Bezirksämtern. «Von der Planung bis zur Fertigstellung vergehen oft fünf Jahre oder mehr», kritisiert Stadtentwicklungsexperte Prof. Stefan Krause von der Technischen Universität Berlin. «In dieser Zeit können sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen komplett ändern und Projekte unwirtschaftlich machen.»
Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sollten eigentlich als Vorreiter beim Neubau agieren. Doch auch sie kämpfen mit Finanzierungsproblemen. Die HOWOGE, Berlins größte kommunale Wohnungsbaugesellschaft, musste kürzlich fünf geplante Neubauprojekte mit insgesamt 870 Wohnungen auf unbestimmte Zeit verschieben.
Besonders kritisch sieht die Situation in den innerstädtischen Bezirken aus. In Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Pankow fehlen nicht nur Wohnungen, sondern auch geeignete Bauflächen. «Die wenigen verfügbaren Grundstücke sind entweder zu teuer oder werden durch langwierige Bebauungsplanverfahren blockiert», erläutert Stadtrat Robert Lüdtke aus Friedrichshain-Kreuzberg.
Die Folgen des Wohnungsmangels sind im Stadtbild deutlich sichtbar. Bei Wohnungsbesichtigungen erscheinen regelmäßig Dutzende Interessenten. Studierende campieren teilweise vor Wohnheimen, und die Wartelisten für Sozialwohnungen werden immer länger. «Wir haben mittlerweile über 175.000 Haushalte auf Wartelisten für geförderte Wohnungen», bestätigt Sandra Hoffmann vom Berliner Mieterverein.
Die Opposition im Abgeordnetenhaus wirft dem schwarz-roten Senat Versagen vor. «Wir brauchen einen kompletten Neustart in der Wohnungsbaupolitik», fordert die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, Katrin Schmidtke. «Der Senat muss endlich die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau verbessern und deutlich mehr öffentliche Mittel bereitstellen.»
Bausenator Christian Gaebler (SPD) verteidigt hingegen den eingeschlagenen Kurs: «Wir haben in den vergangenen Monaten zahlreiche Maßnahmen eingeleitet, um den Wohnungsbau zu beschleunigen. Die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen können wir jedoch nicht beeinflussen.» Er verweist auf das kürzlich beschlossene «Bündnis für Wohnungsbau», mit dem Genehmigungsverfahren verkürzt werden sollen.
Experten sehen jedoch auch ungenutzte Potenziale. «Berlin könnte viel mehr in die Höhe bauen oder bestehende Gebäude aufstocken», meint Architekt Thomas Heider. «Auch die Umwandlung leerstehender Büroflächen in Wohnraum bietet große Chancen, wird aber durch komplizierte Bauvorschriften erschwert.»
Für Mieter wie Familie Schulz aus Wedding bedeutet die Situation eine enorme Belastung. «Wir suchen seit über einem Jahr eine größere Wohnung für unsere vierköpfige Familie», erzählt Sabine Schulz. «Entweder sind die Wohnungen unbezahlbar oder es bewerben sich hundert Leute auf eine Besichtigung. Das ist frustrierend.»
Wie könnte eine Lösung aussehen? Stadtplaner und Wohnungsexperten fordern ein Umdenken: «Berlin muss stärker auf serielles und modulares Bauen setzen, Genehmigungsverfahren radikal vereinfachen und mehr Flächen für den Wohnungsbau bereitstellen», fasst Prof. Krause zusammen. Auch eine bessere regionale Zusammenarbeit mit Brandenburg sei nötig, um den Wohnungsmarkt zu entlasten.
Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hat das Thema Wohnungsbau zur Chefsache erklärt und will bis Ende des Jahres ein neues Maßnahmenpaket vorlegen. Ob dies die Trendwende bringen kann, bleibt abzuwarten. Für die Berliner heißt es derweil: weiter suchen, höhere Mieten zahlen oder ins Umland ziehen.