Die Stille im Saal war geradezu greifbar. Als Kirill Petrenko am Dienstagabend in der Essener Philharmonie den letzten Ton von Mahlers neunter Symphonie verklingen ließ, hielt das Publikum den Atem an. Die Berliner Philharmoniker hatten soeben eine musikalische Reise beendet, die unter die Haut ging.
Mahlers letzte vollendete Symphonie gilt als sein Abschied vom Leben. Der Komponist wusste um seine Herzkrankheit, als er das Werk schrieb. Dieses Wissen um die Endlichkeit schwebt über jedem Ton. Petrenko formte daraus keine laute Verzweiflung, sondern eine innige Reflexion. «Mahler spricht hier nicht mehr zur Welt, sondern mit sich selbst«, erklärte der Dirigent in einem Gespräch vor dem Konzert.
Die Berliner Philharmoniker, seit 2019 unter Petrenkos Leitung, zeigten einmal mehr ihre außergewöhnliche Qualität. Besonders im berühmten Adagio-Finale schien die Zeit stillzustehen. Die Streicher spielten mit einer Intensität, die mehr flüsterte als schrie. Man konnte förmlich spüren, wie sich die Musik Schicht um Schicht auflöste.
Ich erinnere mich an meine erste Begegnung mit diesem Werk als Studentin. Damals erschien es mir rätselhaft. Gestern Abend fühlte ich, wie Mahlers Musik das Unsagbare ausdrückt: die Schönheit des Lebens im Angesicht seiner Vergänglichkeit.
In Zeiten permanenter Reizüberflutung war dieser Abend ein Geschenk. Mahlers Neunte erinnert uns daran, dass manchmal die leisesten Töne am längsten nachhallen. Ein musikalisches Vermächtnis, das bleibt.