Der Morgen beginnt mit politischem Donnergrollen. Eine Gruppe prominenter SPD-Politiker fordert in einem «Manifest» neue Gespräche mit Russland. Mitten im Ukraine-Krieg ein Tabubruch? Die Reaktionen schwanken zwischen empörter Ablehnung und vorsichtiger Zustimmung. Die Debatte offenbart tiefe Risse in der deutschen Russlandpolitik.
Rolf Mützenich, Fraktionschef der SPD, und weitere Unterzeichner plädieren für eine «realistische Betrachtung» des Konflikts. «Wir müssen über das Undenkbare nachdenken – auch über Verhandlungen mit Russland trotz fortdauernder Aggression», erklärt einer der Initiatoren. Das Manifest wurde von etwa 50 Sozialdemokraten unterzeichnet, darunter auch ehemalige Minister. Die aktuelle Parteispitze distanziert sich teilweise.
Bei meinem morgendlichen Kaffee im Berliner Regierungsviertel fange ich Gesprächsfetzen auf. «Naivität» und «Realismus» fallen als Schlagworte. Eine ältere Dame am Nebentisch nickt zustimmend: «Reden muss man doch immer können.» Ihr Begleiter widerspricht heftig. Diese Spaltung zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten.
Die Kontroverse erinnert an frühere Debatten der Ostpolitik. Doch die Zeiten haben sich fundamental geändert. Mit jedem Tag des Krieges wächst die Sehnsucht nach Frieden – und gleichzeitig das Bewusstsein, dass einfache Lösungen nicht existieren. Die Frage bleibt: Wie viel Dialog ist möglich, ohne Grundwerte zu verraten?