Zwischen Jubel und betretenen Mienen verläuft der diesjährige SPD-Parteitag. Die verzweifelte Suche nach Einigkeit ist überall spürbar. Während Delegierte auf der Bühne Zusammenhalt beschwören, zeigen Gespräche in den Wandelhallen ein anderes Bild. Die Sozialdemokratie wirkt orientierungslos – gefangen zwischen Regierungsverantwortung und schwindender Wählerbasis.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In aktuellen Umfragen liegt die SPD bei mageren 14-16 Prozent. Der erhoffte «Scholz-Bonus» ist verpufft. In den Fluren höre ich immer wieder dieselbe Sorge: «Wir verlieren unsere Kernwählerschaft.» Die Partei schwankt zwischen sozialer Verantwortung und wirtschaftlicher Vernunft. Die Grundrente gilt als Erfolg, während bei Verteidigungsausgaben tiefe Gräben sichtbar werden.
«Wir müssen wieder lernen, was es bedeutet, sozialdemokratische Politik zu erklären», sagt Kevin Kühnert im persönlichen Gespräch. Ein Satz, der mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Letzten Sommer erlebte ich bei einer Veranstaltung in Berlin-Kreuzberg, wie ratlos Parteimitglieder auf Fragen nach dem sozialdemokratischen Markenkern reagierten.
Die kommenden Monate werden entscheidend. Die SPD muss ihre Sprache wiederfinden – jenseits von Floskeln und Worthülsen. Sie braucht nicht nur ein Programm, sondern eine Seele. Die Frage bleibt: Kann eine Partei, die selbst nicht weiß, wofür sie steht, andere davon überzeugen, ihr zu folgen?