Die aktuelle Kontroverse um das Bundesverfassungsgericht berührt unsere demokratischen Grundfesten. Seit Tagen verfolge ich die verhärteten Fronten zwischen SPD und Union. Der Streit entzündet sich an der Nachbesetzung im höchsten deutschen Gericht – und offenbart tiefe Gräben in unserer politischen Landschaft.
Die SPD hat mit Yvonne Ott eine erfahrene Verfassungsrichterin vorgeschlagen, deren Amtszeit im April ausläuft. Doch die Union blockiert: Sie will zunächst eine gesetzliche Absicherung des Verfassungsgerichts gegen politische Einflussnahme. «Die Unabhängigkeit unseres Verfassungsgerichts muss über jeden Zweifel erhaben sein», betonte Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Die SPD hingegen wirft der Union vor, mit ihrer Blockadehaltung selbst das Gericht zu beschädigen.
Der Streit eskalierte, als die Union auch die von der SPD vorgeschlagene frühere Bundesverfassungsrichterin Frauke Brosius-Gersdorf ablehnte. Ein Kompromiss scheint ferner denn je. Gestern saß ich mit einem befreundeten Verfassungsrechtler beim Kaffee. «Was in Polen und Ungarn passiert ist, könnte theoretisch auch hier geschehen», sagte er nachdenklich. Seine Worte haben mich nicht losgelassen.
In Zeiten, in denen demokratische Institutionen weltweit unter Druck geraten, wirkt dieser Konflikt besonders beunruhigend. Das Bundesverfassungsgericht genießt mit 86 Prozent Vertrauen in der Bevölkerung höchstes Ansehen. Doch politische Grabenkämpfe könnten dieses Vertrauen erschüttern. Wir sollten uns fragen: Wieviel parteipolitisches Taktieren verträgt unsere Verfassungsordnung?