Gestern Abend saß ich in der Bayerischen Staatsoper und erlebte die seltene Premiere von Gabriel Faurés «Pénélope». Die Zeit schien förmlich stillzustehen – ganz wie bei der treuen Penelope aus Homers Odyssee, die zwanzig Jahre auf ihren Odysseus wartet. Während draußen der Münchner Frühling erwacht, entfaltet sich drinnen ein Musikdrama der langsamen Gesten.
Der französische Komponist schuf dieses Werk 1913, doch selten findet es den Weg auf deutsche Bühnen. Dirigent Jordan Pele entlockt dem Staatsorchester samtene Klänge, die den Raum wie eine warme Decke füllen. «Diese Musik ist wie ein kostbarer Wein, der Zeit zum Atmen braucht», erklärt Regisseurin Christiane Lutz zwischen zwei Proben. Man spürt diesen Reifeprozess in jeder Note. Mich erinnert es an jenen Sommerabend in der Provence, als ich in einem kleinen Dorftheater französische Musikkultur in ihrer reinsten Form erlebte.
Die Hauptdarstellerin Anett Fritsch verleiht der wartenden Königin eine berührende Würde. Ihre Körpersprache spricht Bände über weibliche Selbstbestimmung. Ihr Gesang schwebt zwischen Melancholie und innerer Stärke. Als Zuschauer fragt man sich: Würden wir heute noch so beharrlich auf jemanden warten? Vielleicht liegt gerade in dieser entschleunigten Betrachtung der Liebe eine zeitgemäße Botschaft für unsere hektische Gegenwart.
Weitere Informationen zur Inszenierung und den kommenden Aufführungen finden Sie auf der Website der Bayerischen Staatsoper.