Die Dresdner Tatort-Folge «Gefühlte Wahrheit» zog mich gestern Abend sofort in ihren Bann. Der sonst so kontrollierte Kommissar Schnabel, gespielt vom brillanten Martin Brambach, gerät in eine albtraumhafte Situation: Er wird zum Opfer einer Geiselnahme in seiner eigenen Wohnung. Was zunächst wie ein klassischer Kriminalfall beginnt, entwickelt sich zu einem intensiven Kammerspiel über Wahrheit und Manipulation.
«In diesem Film geht es um die Frage, wie wir Wahrheit konstruieren und was wir bereit sind zu glauben», erklärte Regisseurin Anne Zohra Berrached in einem Interview. Ihre Inszenierung lässt die Grenzen zwischen Realität und Täuschung verschwimmen. Die Kameraführung in den engen Räumen schafft eine klaustrophobische Atmosphäre, die mich nicht mehr losließ. Besonders beeindruckend ist die Darstellung der Geiselnehmer, die ihre eigene Version der Wahrheit mit erschreckender Überzeugung vertreten. Erinnert mich an eine Diskussion, die ich letzte Woche mit einem Kollegen führte. Wir stritten über die Interpretation eines Ereignisses und merkten erst später, dass wir beide völlig unterschiedliche Aspekte derselben Situation wahrgenommen hatten.
Der Tatort führt geschickt vor Augen, wie subjektiv unsere Wahrnehmung ist. Die aktuelle Debatte um Fake News und alternative Fakten bekommt hier eine persönliche, emotional aufgeladene Dimension. Man fragt sich unweigerlich: Was bleibt von der Wahrheit übrig, wenn jeder seine eigene Version für die einzig richtige hält?