Als ich gestern die Debatte um Iris Reiches Rentenvorschläge verfolgte, konnte ich nur staunen. Die CDU-Ministerin aus Mecklenburg-Vorpommern steht mit ihrer Idee, das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln, im Kreuzfeuer der Kritik – und ihre eigene Partei hält auffällig still.
Die Faktenlage ist eindeutig: Unsere Gesellschaft altert, während die Geburtenrate sinkt. Schon heute fehlen der Rentenversicherung jährlich über 100 Milliarden Euro, die durch Steuermittel ausgeglichen werden müssen. Reiche argumentiert sachlich für eine «atmende Altersgrenze», die flexible Übergänge ermöglichen soll. Doch während sie sich dieser schwierigen Debatte stellt, schweigt der Rest der Union.
«Wir müssen endlich über die langfristige Finanzierbarkeit der Rente sprechen», erklärte mir ein CDU-Sozialpolitiker, der anonym bleiben wollte. «Aber niemand will diese heiße Kartoffel anfassen.» Das Schweigen der Parteispitze ist bezeichnend. Friedrich Merz hat sich bisher nicht positioniert, während SPD und Grüne Reiche scharf kritisieren. Selbst als jemand, der die Union oft kritisch betrachtet, finde ich dieses taktische Versteckspiel befremdlich.
In meinen dreißig Jahren als Journalistin habe ich selten erlebt, dass eine Politikerin so von ihrer eigenen Partei im Regen stehen gelassen wird. Die Rentenfrage wird unsere Gesellschaft noch lange beschäftigen. Schade nur, dass offenbar nicht einmal mehr innerhalb einer Partei ein konstruktiver Dialog möglich ist.