Auf dem Weg aus dem Gerichtssaal wirkte Michael Ballweg gefasst. Der Gründer der «Querdenken«-Bewegung wurde gestern vom Landgericht Stuttgart zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Zwei Jahre auf Bewährung für Steuerhinterziehung in Höhe von 1,1 Millionen Euro – ein Urteil, das polarisiert und die Geister scheidet.
Die Corona-Jahre haben tiefe Spuren hinterlassen. Für manche wurde Ballweg zum Helden des Widerstands gegen Pandemiemaßnahmen, für andere zum Symbol gefährlicher Verschwörungserzählungen. Seine «Querdenken«-Demonstrationen zogen 2020 und 2021 tausende Menschen an. Bei einer Veranstaltung in Berlin versammelten sich sogar 38.000 Teilnehmer. Ich erinnere mich an die aufgeheizten Debatten in meinem eigenen Freundeskreis. «Es geht um Grundrechte», sagten die einen. «Es geht um Verantwortung», die anderen.
Der Soziologe Dr. Oliver Nachtwey sieht das Phänomen differenziert: «Querdenken wurde zum Sammelbecken verschiedenster Unzufriedener – von besorgten Bürgern bis zu Reichsbürgern und Verschwörungsideologen.»
Die eigentliche Überraschung im Prozess: Die schwerwiegenderen Vorwürfe des versuchten Betrugs wurden fallen gelassen. Ballweg hatte für seine Bewegung Spenden in Millionenhöhe gesammelt. Die FAZ berichtet ausführlich über den Prozessverlauf.
Was bleibt? Eine Gesellschaft, die noch immer um den richtigen Umgang mit Corona ringt. Und die Erkenntnis, dass in Krisenzeiten die Grenzen zwischen Protest und Populismus, zwischen berechtigter Kritik und Verschwörungsglauben, erschreckend fließend sein können.