Die blauen Stühle im Bundestag lichten sich. Sieghard Knodel, AfD-Bundestagsabgeordneter aus Baden-Württemberg, hat gestern seinen Parteiaustritt erklärt. Seine Begründung trifft den Nerv aktueller Debatten: Die Partei habe sich «zunehmend radikalisiert und extremistisch entwickelt».
Beim Kaffee im Presseraum höre ich es immer wieder: Die AfD durchlebt einen schleichenden Identitätswandel. Knodels Entscheidung ist mehr als persönliche Distanzierung – sie manifestiert einen tieferen Riss. «Eine konstruktive Arbeit im Sinne der Bürger ist unter diesen Bedingungen nicht mehr möglich», erklärte der 64-Jährige. Der Austritt folgt nur wenige Wochen nach den erschütternden Correctiv-Enthüllungen über das Potsdamer Treffen rechtsextremer Netzwerke.
Was mich besonders nachdenklich stimmt: Knodel bleibt fraktionslos im Bundestag. Kein Wechsel, keine neue politische Heimat. Letzte Woche sprach ich mit einem Politikwissenschaftler, der das «Dilemma der Gemäßigten» in radikalisierten Parteien untersuchte. «Oft bleiben nur zwei Optionen: schweigen oder gehen», sagte er mir. Die Bundestagswahl 2021 brachte 83 AfD-Abgeordnete ins Parlament. Nach Knodels Austritt sinkt diese Zahl auf 77.
Die Demokratie lebt von der Fähigkeit zur Selbstkorrektur – sowohl bei Institutionen als auch bei Individuen. Knodels Schritt erinnert uns daran, dass politische Überzeugungen keine unverrückbaren Monolithe sind. Manchmal ist der Austritt aus einer Partei mehr als nur ein Karriereschritt. Er kann ein Bekenntnis zu Grundwerten sein.