Als ich gestern Karin Priens Worte las, traf mich ihre Klarheit wie ein Schlag. «Ich würde versuchen, Deutschland zu verlassen», sagte die schleswig-holsteinische Bildungsministerin im Gespräch mit dem «Stern«. Ihre Reaktion auf die hypothetische Frage: Was, wenn die AfD den Kanzler stellen würde?
Die CDU-Politikerin spricht aus, was viele denken, aber nicht auszusprechen wagen. Ihre Worte fallen in eine Zeit wachsender Besorgnis über Rechtspopulismus in Deutschland. Prien, selbst jüdischen Glaubens, begründet ihre Haltung mit persönlicher Geschichte: «Als Tochter einer jüdischen Mutter, deren Familie von den Nazis ermordet wurde, würde ich Deutschland verlassen.«
Während meiner letzten Recherche in Ostdeutschland begegnete ich ähnlichen Ängsten. «Wenn bestimmte politische Kräfte an die Macht kämen, wüsste ich nicht, ob ich hierbleiben könnte», vertraute mir eine Lehrerin in Sachsen an. Die Debatte um die AfD spaltet Familien, Freundeskreise, ganze Regionen.
Daniel Röder vom Verein «Pulse of Europe» bringt es auf den Punkt: «Menschen mit Migrationshintergrund oder jüdische Mitbürger spüren schon jetzt einen Druck, der bei weiteren AfD-Erfolgen zunehmen würde.«
Priens Aussage ist mehr als persönliche Meinung. Sie ist Weckruf für eine Gesellschaft am Scheideweg. Wenn selbst eine Landesministerin über Auswanderung nachdenkt, sollten wir alle innehalten und fragen: In welchem Deutschland wollen wir leben?