Der Morgenkaffee schmeckt heute besonders bitter. Vor mir liegt die neue Arbeitsmarktstatistik für Akademiker – und sie zeichnet ein überraschendes Bild. Während Politik und Wirtschaftsverbände weiterhin den Fachkräftemangel beschwören, steigt die Akademiker-Arbeitslosigkeit in bestimmten Branchen deutlich an.
Besonders betroffen sind die Kultur- und Kreativwirtschaft, wo jeder fünfte Absolvent länger als sechs Monate nach dem Abschluss ohne feste Anstellung bleibt. In den Ingenieurwissenschaften sieht es ähnlich aus, trotz gegenteiliger Prognosen. Professor Dr. Martina Reichert von der Universität Köln erklärt: «Wir beobachten eine wachsende Diskrepanz zwischen Qualifikation und tatsächlichen Jobanforderungen. Viele Unternehmen suchen nicht einfach Akademiker, sondern sehr spezifische Kompetenzprofile.»
Ich erinnere mich an mein Gespräch mit Thomas, 28, Maschinenbauingenieur. Seit acht Monaten bewirbt er sich vergeblich. «Die verlangen fünf Jahre Berufserfahrung für Einstiegspositionen», erzählte er kopfschüttelnd. Seine Geschichte ist kein Einzelfall, wie mir Dutzende Zuschriften bestätigen.
Interessanterweise zeigt die aktuelle ZEIT-Analyse zur Arbeitsmarktentwicklung aber auch, dass fächerübergreifende Qualifikationen und digitale Kompetenzen die Jobchancen erheblich verbessern.
Der vielzitierte Fachkräftemangel entpuppt sich als vielschichtiges Phänomen. Nicht Akademiker per se fehlen, sondern Menschen mit ganz bestimmten Fähigkeitskombinationen. Für die Generation der jetzigen Studierenden bedeutet das: Spezialisierung allein reicht nicht mehr. Die Arbeitswelt von morgen verlangt Flexibilität und lebenslanges Lernen.