In Berlin sorgte die Rückkehr der russischen Star-Sopranistin Anna Netrebko auf deutsche Bühnen für erhitzte Gemüter. Beim Classic Open Air am Gendarmenmarkt protestierten etwa 150 Menschen gegen ihren Auftritt. Die Demonstranten warfen der Sängerin vor, nicht deutlich genug vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine Abstand genommen zu haben. Laut Polizeiangaben verlief der Protest friedlich.
Netrebko, die früher als Putin-nah galt, hatte sich nach Kriegsbeginn zunächst bedeckt gehalten. Später verurteilte sie den Krieg, was vielen Kritikern jedoch nicht weit genug ging. Berlins Kultursenator Joe Chialo verteidigte die Entscheidung, die Sängerin auftreten zu lassen. «In einer Demokratie müssen wir auch Haltungen aushalten, die wir nicht teilen», erklärte er gegenüber unserer Zeitung. Die Veranstalter betonten, dass Kunst nicht politisch instrumentalisiert werden dürfe.
Die Stimmung auf dem Gendarmenmarkt war trotz der Proteste überwiegend positiv. Als gebürtige Berlinerin konnte ich beobachten, wie viele Musikliebhaber die Chance nutzten, Netrebkos unbestrittenes Gesangstalent live zu erleben. Der Applaus übertönte deutlich die Protestrufe.
Die Debatte um Netrebko zeigt, wie schwierig die Trennung von Kunst und Politik in Krisenzeiten sein kann. Während einige Kulturinstitutionen die Sopranistin weiterhin meiden, kehrt sie schrittweise auf internationale Bühnen zurück. Die Meinungen der Berliner bleiben gespalten – zwischen künstlerischer Wertschätzung und politischer Verantwortung.