Gestern noch stand ich am Bahnsteig, als eine Durchsage alle Wartenden aufhorchen ließ: Verspätung. Wieder einmal. Doch bald könnte uns Bahnreisende ein ganz anderes Problem beschäftigen. Die Preise für Bahntickets drohen dramatisch zu steigen, warnt die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Während wir uns noch an die 49-Euro-Tickets gewöhnen, braut sich im Hintergrund ein finanzielles Unwetter zusammen.
Die EVG-Vorsitzende Martin Burkert spricht Klartext: «Die Fahrpreise könnten sich verdoppeln oder verdreifachen.» Ein Schock für Pendler und Gelegenheitsreisende gleichermaßen. Grund für die drohende Preisexplosion ist die massive Finanzierungslücke bei der Deutschen Bahn. Allein für die Sanierung des maroden Schienennetzes werden in den kommenden Jahren rund 45 Milliarden Euro benötigt. Letzte Woche habe ich selbst erlebt, wie ein defekter Stellwerk meinen Zug für zwei Stunden lahmlegte. Solche Szenen gehören inzwischen zum Bahnalltag. Die Infrastruktur bröckelt spürbar. Verkehrsminister Volker Wissing steht nun unter Druck, Lösungen zu präsentieren, ohne die Kosten einseitig auf Fahrgäste abzuwälzen.
Besonders bitter: Während in anderen europäischen Ländern wie Österreich oder der Schweiz die Bahn als Vorzeigeprojekt gilt, droht Deutschland den Anschluss zu verlieren. Die Preisspirale könnte die Verkehrswende ausbremsen, bevor sie richtig Fahrt aufnimmt. Bleibt die Frage: Wollen wir wirklich ein Land sein, in dem Bahnfahren zum Luxus wird? Die Antwort darauf wird nicht nur an Fahrkartenschaltern, sondern auch in Parlamenten und Konzernzentralen gegeben werden müssen.