Die Bahnstrecke zwischen Hamburg und Berlin gleicht seit Monaten einer Großbaustelle. Viele Pendler und Reisende haben die Einschränkungen bereits zu spüren bekommen. Was bisher geschah, könnte jedoch nur der Anfang gewesen sein. Der wirklich herausfordernde Teil der Bauarbeiten steht möglicherweise erst noch bevor.
Seit Dezember 2023 modernisiert die Deutsche Bahn den südlichen Abschnitt der vielbefahrenen Strecke zwischen Hamburg und Berlin. Besonders im Bereich zwischen Ludwigslust und Wittenberge wurden in den vergangenen Monaten umfangreiche Arbeiten durchgeführt. Dabei wurden mehrere Kilometer Gleise erneuert, Weichen ausgetauscht und die Signaltechnik auf den neuesten Stand gebracht.
«Die bisherigen Bauarbeiten verliefen weitgehend nach Plan», erklärt Bahnsprecherin Sabine Schulz. «Wir konnten den ersten Bauabschnitt termingerecht abschließen. Die Züge zwischen Hamburg und Berlin fahren auf diesem Teilstück wieder im Regelbetrieb.» Dennoch kommt es auf der Gesamtstrecke weiterhin zu Verspätungen und Zugausfällen.
Für viele Reisende bedeuteten die Bauarbeiten längere Fahrtzeiten und umständliche Umleitungen. Die Fahrzeit zwischen den beiden Metropolen verlängerte sich zeitweise um bis zu 45 Minuten. Pendler wie Martin Krüger aus Ludwigslust berichten von täglichen Herausforderungen: «Ich muss jetzt jeden Morgen eine Stunde früher losfahren. Die ständigen Änderungen im Fahrplan machen die Planung schwierig.»
Die Bahn hat für die Bauarbeiten einen straffen Zeitplan. Bis Ende 2025 soll die gesamte Strecke modernisiert sein. Doch nun steht der technisch anspruchsvollste Teil bevor. Ab Juni 2024 werden die Arbeiten auf den nördlichen Streckenabschnitt zwischen Hamburg und Ludwigslust ausgeweitet. Hier müssen nicht nur Gleise erneuert werden, sondern auch mehrere Brücken saniert und zwei Tunnel komplett modernisiert werden.
Verkehrsexpertin Prof. Dr. Claudia Werner von der Technischen Universität Hamburg warnt: «Die kommenden Bauarbeiten werden deutlich komplexer. Besonders die Tunnelarbeiten sind technisch herausfordernd und lassen sich kaum beschleunigen. Reisende müssen sich auf längere Einschränkungen einstellen.»
Die Deutsche Bahn plant für diesen Zeitraum einen umfassenden Schienenersatzverkehr mit Bussen. Zudem werden einige Züge über deutlich längere Alternativrouten umgeleitet. «Wir sind uns bewusst, dass die Einschränkungen für unsere Fahrgäste belastend sind», betont Bahnsprecherin Schulz. «Aber die Modernisierung ist unverzichtbar, um die Zuverlässigkeit der Strecke langfristig zu verbessern.»
Für die Wirtschaft in beiden Städten haben die Bauarbeiten ebenfalls spürbare Folgen. «Die verlängerten Reisezeiten beeinträchtigen den Geschäftsverkehr zwischen Hamburg und Berlin», sagt Wirtschaftsexperte Dr. Thorsten Mehrling. «Besonders für Unternehmen, die auf tägliche Verbindungen angewiesen sind, entstehen zusätzliche Kosten.»
Die Bauarbeiten sind Teil des Programms «Starke Schiene», mit dem die Deutsche Bahn ihr gesamtes Streckennetz bis 2030 modernisieren will. Allein für die Hamburg-Berlin-Verbindung investiert der Konzern mehr als 1,7 Milliarden Euro. Nach Abschluss aller Arbeiten soll die Fahrtzeit zwischen den Städten auf unter 90 Minuten sinken – etwa 20 Minuten weniger als bisher.
Fahrgastvertreter begrüßen die Modernisierung grundsätzlich, kritisieren jedoch das Baustellenmanagement. Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn meint: «Die Bahn hätte die Arbeiten besser koordinieren können. Warum werden nicht mehr Bauarbeiten in die Nachtstunden verlegt? In anderen europäischen Ländern ist das längst üblich.»
Die Deutsche Bahn verteidigt ihr Vorgehen. «Nächtliche Bauarbeiten sind deutlich teurer und zeitaufwändiger. Zudem gibt es strenge Lärmschutzauflagen in Wohngebieten», erklärt Bauprojektleiter Michael Hoffmann. «Wir versuchen, die Belastungen für Anwohner und Reisende so gering wie möglich zu halten.»
Für Reisende bleibt vorerst nur, sich auf die Situation einzustellen. Die Bahn empfiehlt, Fahrten zwischen Hamburg und Berlin langfristig zu planen und vor Reiseantritt die aktuellen Fahrplaninformationen zu prüfen. Außerdem wurden die Kapazitäten im Kundenservice erhöht, um bei Problemen schneller helfen zu können.
Die Hamburger Pendlerin Sophie Weber bleibt trotz der Unannehmlichkeiten optimistisch: «Natürlich ist es gerade anstrengend. Aber wenn die Strecke danach zuverlässiger und schneller wird, nehme ich die Bauphase gerne in Kauf. Hauptsache, die Bahn hält den Zeitplan ein.»
Ob dieser optimistische Blick berechtigt ist, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Die wahre Belastungsprobe für Bahnreisende und Pendler steht mit den komplexen Tunnelarbeiten ab Sommer erst noch bevor.