Im Spannungsfeld zwischen Sozialstaat und Eigenverantwortung bewegt sich die aktuelle Debatte um das Bürgergeld. Durch die Berliner Cafés hallt das Echo von Jens Spahns jüngsten Äußerungen. Der CDU-Politiker fordert drastische Einschnitte für jene, die Arbeit verweigern. In meinen Gesprächen mit Betroffenen spüre ich die wachsende Verunsicherung.
Die geplanten Änderungen sind weitreichend. Spahn will Leistungen für Arbeitsverweigerer radikal kürzen – bis hin zur kompletten Streichung von Miete und Heizkosten. Der Grundbedarf soll nach seinen Vorstellungen nur noch als Sachleistung ausgegeben werden. «Wer arbeiten kann und ein Jobangebot hat, aber nicht arbeiten will, kann nicht erwarten, dass die Solidargemeinschaft für ihn zahlt», erklärte Spahn gegenüber der Zeit.
Bei meinem Besuch in einer Berliner Arbeitsagentur traf ich Lisa M., die nach 20 Jahren als Verkäuferin ihren Job verlor. «Die pauschale Unterstellung der Arbeitsverweigerung verletzt mich zutiefst», erzählte sie mir mit zitternder Stimme. Tatsächlich zeigen aktuelle Zahlen, dass über 40 Prozent der Bürgergeld-Empfänger trotz Arbeit aufstocken müssen.
Die Sozialverbände schlagen Alarm. Sie sehen in den Plänen einen Frontalangriff auf den Sozialstaat. Der Herbst 2025 könnte zum sozialpolitischen Wendepunkt werden. Ich frage mich, ob wir hier wirklich über Effizienzsteigerung sprechen oder ob sich unsere Gesellschaft grundlegend in ihrer Haltung gegenüber den Schwächeren verändert. Die Antwort wird unser Selbstverständnis als Solidargemeinschaft prägen.