In den letzten Wochen beobachte ich eine zunehmend hitzige Debatte in Cafés und sozialen Medien. Es geht um die geplante Bürgergeld-Reform 2024. Besonders die verschärften Sanktionen sorgen für Gesprächsstoff. Die Bundesregierung plant härtere Maßnahmen gegen Menschen, die Termine versäumen oder Arbeit ablehnen.
Beim Spaziergang durch Berlin-Kreuzberg hörte ich gestern zwei junge Frauen diskutieren. «Wer wirklich Hilfe braucht, soll sie bekommen. Aber es muss auch Regeln geben», meinte die eine. Künftig droht bei Pflichtverletzungen ein kompletter Leistungsentzug für bis zu zwei Monate. Lediglich die Kosten für Unterkunft und Heizung bleiben gesichert. Besonders umstritten: Die Beweislast kehrt sich um. Betroffene müssen nachweisen, dass sie einen «wichtigen Grund» hatten.
«Diese Reform ist längst überfällig«, erklärt Sozialexperte Dr. Michael Becker. «Das Prinzip des Förderns und Forderns gehört zum Grundverständnis unseres Sozialsystems.» Mir selbst begegnete das Thema beim Familientreffen. Mein Onkel, selbst Arbeitsvermittler, berichtete von Fällen echter Not, aber auch von manchem Missbrauch. Die Statistik zeigt: Nur gegen etwa drei Prozent der Leistungsbezieher werden überhaupt Sanktionen verhängt.
Die Reform spiegelt einen gesellschaftlichen Balanceakt wider. Zwischen Solidarität und Eigenverantwortung. Zwischen Unterstützung und Kontrolle. Als ich neulich mit meinem Kaffee in der U-Bahn saß, fragte ich mich: Wie würde ich mich fühlen, plötzlich auf staatliche Hilfe angewiesen zu sein? Die Antwort darauf sagt vielleicht mehr über unsere Gesellschaft aus als jede Gesetzesänderung.