Der Wind pfeift kalt durch die Straßen, während ich am Jobcenter vorbeigehe. Die Schlange vor dem Eingang wird länger. Seit der Bürgergeldreform spüre ich bei meinen Recherchen eine wachsende Unruhe. Plötzlich stehen Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, vor existenziellen Fragen.
Die aktuelle Bürgergeldreform bringt erhebliche Verschärfungen mit sich. Ab Juli werden die Sanktionen deutlich strenger. Leistungen können bei Pflichtverletzungen komplett gestrichen werden. Besonders besorgniserregend: Die Jobcenter dürfen künftig auch die Kosten für Unterkunft und Heizung kürzen. «Diese Maßnahmen treiben Menschen in ernste finanzielle Schwierigkeiten», warnt Michaela Engelmeier, Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland.
Gestern traf ich Herrn Berger, 58, gelernter Elektriker. Nach Betriebsschließung und Krankheit ist er seit zwei Jahren auf Bürgergeld angewiesen. «Man fühlt sich wie ein Versager», sagt er leise. Die Angst vor Sanktionen lässt ihn nachts kaum schlafen. Seine Geschichte ist kein Einzelfall. Die Reform trifft besonders Ältere und gesundheitlich Beeinträchtigte.
Die Befürworter der Verschärfungen sprechen von notwendigen Anreizen zur Arbeitsaufnahme. Doch was bedeutet Anreiz, wenn schlicht keine passenden Jobs verfügbar sind? Die Reform zeigt einen gesellschaftlichen Wandel: Weg von der Unterstützung, hin zur Disziplinierung. Als wäre Armut ein selbstgewähltes Schicksal. Für die Betroffenen bleibt die bange Frage: Wer fängt uns auf, wenn alle Netze reißen?