Jeden Morgen dasselbe Bild: Verspätete Züge, genervte Pendler, resignierte Bahnmitarbeiter. Mittendrin eine Organisation auf Führungssuche. Die Deutsche Bahn braucht dringend einen neuen Chef. Doch niemand will den Job. Seit Monaten lehnen Top-Manager aus der Wirtschaft höflich ab.
«Die Position des Bahnchefs gleicht derzeit einem heißen Eisen, das niemand anfassen möchte», erklärt Verkehrsexperte Martin Seiler. Verständlich, denn die Aufgabe ist gigantisch: Ein marodes Schienennetz, Milliardenschulden und politischer Druck von allen Seiten. Letzte Woche sagte der siebte Kandidat ab. Selbst mit Jahresgehältern jenseits der 900.000 Euro lockt man keinen Retter.
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Lokführer vergangenen Monat. «Wissen Sie», sagte er kopfschüttelnd, «wer hier Chef wird, braucht einen Panzer als Dienstwagen.» Seine Worte fassen die Stimmung perfekt zusammen. Die Probleme sind so tiefgreifend, dass selbst erfahrene Krisenmanager zurückschrecken.
Während die Suche weitergeht, verschlechtert sich die Situation täglich. Die Pünktlichkeitsquote sank laut aktuellen Zahlen auf 59 Prozent. Der Fahrgastverband Pro Bahn fordert inzwischen einen kompletten Neuanfang. Die Bahn-Misere zeigt beispielhaft, wie schwer der Wandel in festgefahrenen Strukturen ist. Die Suche nach einem Chef wird zur Metapher für die größere Frage: Ist dieses System überhaupt noch zu retten?