Die grauen Novembertage in Berlin spiegeln die Stimmung in der deutschen Politik wider. Ein bemerkbarer Wandel vollzieht sich in der Haltung zum Gaza-Konflikt. Während Deutschland nach dem 7. Oktober bedingungslose Solidarität mit Israel zeigte, klingen heute differenziertere Töne an. Die humanitäre Katastrophe in Gaza zwingt zum Umdenken – auch in den Regierungsfluren.
Annalena Baerbock findet deutlichere Worte als noch vor Wochen. «Die Lage der Menschen in Gaza ist unerträglich», erklärte die Außenministerin kürzlich bei einem EU-Treffen. Die Bundesregierung unterstützt mittlerweile aktiv Forderungen nach humanitären Feuerpausen. Ich erinnere mich, wie undenkbar solche Positionen kurz nach dem Hamas-Terror schienen. Damals standen die Zeichen klar auf uneingeschränkter Unterstützung für Israels Selbstverteidigung.
Die öffentliche Meinung wandelt sich ebenfalls. Laut einer aktuellen Umfrage des ZDF-Politbarometers bewerten 61 Prozent der Deutschen das israelische Vorgehen in Gaza als nicht angemessen. Diese Zahlen wären vor zwei Monaten kaum vorstellbar gewesen. Gleichzeitig organisieren sich immer mehr Hilfsaktionen für Gaza.
Während meiner Gespräche mit Politikbeobachtern wird klar: Deutschland balanciert auf einem schmalen Grat. Die historische Verantwortung gegenüber Israel bleibt unantastbar. Doch der Schutz unschuldiger Zivilisten gehört ebenso zu unseren Grundwerten. Diese Spannung prägt zunehmend den deutschen Diskurs – ein Zeichen demokratischer Reife in schwierigen Zeiten.