Das Morgenlicht fällt durch mein Redaktionsfenster, während ich die jüngsten Entwicklungen um Pro Asyl verfolge. Die angesehene Flüchtlingsorganisation sieht sich einer heftigen Diffamierungskampagne ausgesetzt. Der Auslöser: ihre Kritik an der deutschen Asylrechtsprechung.
«Wir werden für unsere legitime Kritik an gerichtlichen Entscheidungen in einer Weise angegriffen, die demokratische Grundprinzipien verletzt», erklärt Karl Kopp, Europareferent von Pro Asyl. Die Organisation hatte vergangene Woche mehrere Urteile des Bundesverwaltungsgerichts zu Afghanistan-Abschiebungen kritisiert. Was folgte, war ein Sturm der Entrüstung aus Justizkreisen und konservativen Medien.
Gestern saß ich in einem Berliner Café, als am Nebentisch heftig über den Fall diskutiert wurde. Die Kontroverse zeigt, wie dünnhäutig unser demokratischer Diskurs geworden ist. Pro Asyl verteidigt seine Position mit dem Hinweis auf die Meinungsfreiheit und das Recht auf Kritik – auch an Gerichten. Schließlich leben wir in einer Demokratie, in der Urteile öffentlich diskutiert werden dürfen.
Besonders besorgniserregend finde ich die Versuche, die Gemeinnützigkeit der Organisation in Frage zu stellen. Einige Politiker fordern bereits eine Überprüfung des Gemeinnützigkeitsstatus. Dies erinnert an ähnliche Fälle wie bei Attac oder der VVN-BdA.
In Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung brauchen wir mehr, nicht weniger kritischen Dialog. Wenn legitime Kritik an Gerichtsentscheidungen zum Anlass für Diffamierungskampagnen wird, steht mehr auf dem Spiel als nur der Ruf einer Organisation. Es geht um den Kern unserer demokratischen Streitkultur.