Im gestrigen Bundestag wehte ein kalter Wind durch die Reihen. Mit den Stimmen von Union und FDP wurde der Familiennachzug für Geflüchtete mit subsidiärem Schutz ausgesetzt. Ich saß auf der Pressetribüne und spürte die angespannte Atmosphäre. Diese Entscheidung betrifft tausende Menschen, die auf ein Wiedersehen mit ihren Liebsten hoffen. Die politische Landschaft zeigt sich tief gespalten in einer Debatte, die Menschlichkeit und Pragmatismus gegeneinander abwägt.
Die Aussetzung gilt zunächst für sechs Monate. Subsidiär Schutzberechtigte – meist aus Kriegsgebieten wie Syrien – können vorerst keine Angehörigen nachholen. Die Kommunen atmeten auf. Viele fühlen sich bereits am Limit ihrer Kapazitäten. «Wir müssen den Menschen, die bereits hier sind, gerecht werden können», erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser während der hitzigen Debatte.
Letzten Monat besuchte ich eine syrische Familie in Berlin-Neukölln. Der Vater zeigte mir Fotos seiner Tochter, die noch in der Türkei festsitzt. Seine Augen glänzten hoffnungsvoll. Jetzt muss er länger warten. Die Grünen und Linken kritisieren die Entscheidung scharf. Pro Asyl spricht von einem «humanitären Rückschritt».
Die Frage des Familiennachzugs wirft ein Schlaglicht auf die größere Herausforderung: Wie gestalten wir eine Migrationspolitik, die sowohl menschlich als auch realistisch ist? Während im Bundestag die Argumente flogen, standen draußen Familien mit selbstgemalten Plakaten. Sie erinnerten uns daran, dass hinter jeder politischen Entscheidung menschliche Schicksale stehen. Die Uhr tickt – in sechs Monaten wird neu entschieden.