Auf seinem neuen Platz wirkt er erstaunlich gelassen. Friedrich Merz, der jahrelang von der Kanzlerschaft träumte, steht nun wirklich am Rednerpult des Bundestags – nicht als Opposition, sondern als Regierungschef. Seine erste Regierungserklärung kommt überraschend versöhnlich daher. Der scharfe Ton früherer Debatten ist einer staatsmännischen Rhetorik gewichen.
«Wir stehen an einem historischen Wendepunkt«, erklärt Merz mit ruhiger Stimme. «Deutschland braucht jetzt Stabilität und einen klaren Kurs.» Verblüffend dabei: Seine Vision für Deutschland klingt weniger nach konservativer Revolution, sondern nach pragmatischem Mittelweg. Die erwarteten harten Attacken gegen die Opposition bleiben aus. Stattdessen spricht er von «notwendigen Kompromissen» und «gemeinsamen Anstrengungen».
Die Gesichter seiner Koalitionspartner verraten gemischte Gefühle. Besonders bemerkenswert: Merz streckt sogar der Opposition die Hand aus. Bei den großen Herausforderungen – Klimawandel, Migration, wirtschaftliche Transformation – will er überparteiliche Lösungen suchen. «Keine Regierung kann diese Aufgaben allein bewältigen», gesteht er ein. Selbst politische Gegner nicken anerkennend.
Gestern noch Oppositionsführer, heute Kanzler – diese Verwandlung scheint Merz selbst zu überraschen. In den Fluren des Reichstags tuscheln die Abgeordneten. Hat die Macht diesen kantigen Politiker bereits verändert? Die kommenden Monate werden zeigen, ob der versöhnliche Ton mehr ist als taktisches Kalkül. Deutschland jedenfalls erlebt gerade eine politische Metamorphose, die niemand so erwartet hätte.