Der Drahtseilakt eines Kanzlerkandidaten
Während ich gestern durch Berlin spazierte, dachte ich über Friedrich Merz nach. Der CDU-Vorsitzende steht kurz vor der Kanzlerkandidatur, doch die Umfragen zeigen ein widersprüchliches Bild. Obwohl die Union in den Umfragen mit 32 Prozent vorne liegt, bleibt Merz persönlich hinter den Erwartungen zurück.
Nur 33 Prozent der Befragten halten ihn für einen guten Kanzlerkandidaten, wie aktuelle Erhebungen zeigen. Besonders bei Frauen und jüngeren Wählern kommt der 68-Jährige nicht gut an. Seine teils polarisierenden Äußerungen zu gesellschaftlichen Themen hinterlassen Spuren. Vor kurzem saß ich mit einer befreundeten Politikwissenschaftlerin beim Kaffee. «Merz› Problem ist, dass er nicht vermitteln kann, für alle da zu sein«, erklärte sie mir. «Seine Sprache und sein Auftreten erreichen vor allem konservative Stammwähler.»
Interessanterweise schneiden andere Unionspolitiker in persönlichen Beliebtheitswerten besser ab. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst etwa genießt höhere Sympathiewerte, hält sich aber mit Ambitionen zurück. Die Partei wirkt gespalten zwischen Machtpragmatismus und inhaltlichen Bedenken.
Die politische Landschaft verändert sich rasant. Während die SPD schwächelt, gewinnen die Ränder an Stärke. In diesem Umfeld muss sich die Union positionieren. Merz› Herausforderung ist größer, als sie auf den ersten Blick erscheint. Ob er sich vom Kandidaten zweiter Wahl zum Kanzler erster Güte entwickeln kann, bleibt eines der spannendsten Kapitel deutscher Politik.