Die ersten Schneeflocken tanzen über dem Dortmunder Kaiserviertel, als sich an diesem kalten Dezembernachmittag etwa 25 Personen am Treffpunkt nahe dem Kaiserstraßenviadukt versammeln. Mit Handschuhen, warmen Jacken und guter Laune ausgestattet, warten sie auf den Beginn einer besonderen Stadttour – der Glühweinwanderung durchs Kaiserviertel.
«Das Kaiserviertel gehört zu den versteckten Schätzen Dortmunds. Viele kennen die Hauptstraßen, aber in den Seitenstraßen gibt es architektonische Perlen und charmante Geschäfte zu entdecken», erklärt Stadtteilführerin Claudia Weber, während sie die Gruppe begrüßt. In ihrer Hand hält sie eine Thermoskanne mit dampfendem Glühwein, der bald in kleine mitgebrachte Becher verteilt wird.
Die Idee zur Glühweinwanderung entstand im letzten Winter, als die üblichen Weihnachtsmärkte pandemiebedingt ausfielen. «Wir wollten etwas Neues schaffen, das die Menschen zusammenbringt und gleichzeitig das Kaiserviertel mit seinen Besonderheiten präsentiert», erzählt Weber. Aus der Notlösung wurde ein voller Erfolg, der nun in die zweite Saison geht.
Der erste Stopp führt die Gruppe zum denkmalgeschützten Gebäudeensemble der Kaiserallee. Hier stehen prachtvolle Gründerzeithäuser mit aufwendigen Fassaden. «Diese Häuser wurden um 1900 gebaut, als Dortmund durch die Industrialisierung einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte», erläutert Weber. Der warme Glühwein hilft gegen die Kälte, während die Teilnehmer staunend die Details der historischen Bauten betrachten.
Zwischen den historischen Erläuterungen gibt es immer wieder Pausen für Glühwein-Nachschub und kleine Leckereien. Bei einer lokalen Bäckerei werden traditionelle Stutenkerle verteilt, die typisch für die Adventszeit im Ruhrgebiet sind.
Familie Müller aus Dortmund-Hombruch ist zum ersten Mal dabei. «Wir wohnen seit 20 Jahren in Dortmund, aber das Kaiserviertel kannten wir bisher nur oberflächlich. Die Kombination aus Stadtgeschichte und Glühwein ist einfach perfekt für einen Winternachmittag», sagt Michael Müller (52) begeistert.
Die Route führt weiter zu kleinen, inhabergeführten Geschäften, die speziell für die Wandergruppe ihre Türen öffnen. In einer Kunstgalerie werden Werke lokaler Künstler präsentiert, ein Antiquitätengeschäft zeigt besondere Weihnachtsdekorationen aus vergangenen Zeiten.
«Das Besondere an unserer Glühweinwanderung ist die Verbindung von Geschichte, lokalen Geschäften und Geselligkeit«, erklärt Weber. «Wir unterstützen damit gleichzeitig die kleinen Läden im Viertel, die besonders in der Winterzeit Kunden brauchen.»
Stadthistoriker Thomas Schmidt, der als Gast die Wanderung begleitet, ergänzt: «Das Kaiserviertel hat den Zweiten Weltkrieg vergleichsweise gut überstanden. Daher finden wir hier mehr historische Bausubstanz als in anderen Teilen Dortmunds. Diese architektonischen Schätze sind besonders im Winter, wenn die Fassaden durch die festliche Beleuchtung in Szene gesetzt werden, ein echter Hingucker.»
Nach etwa einer Stunde erreicht die Gruppe einen kleinen versteckten Platz, auf dem ein improvisierter Mini-Weihnachtsmarkt aufgebaut wurde. Zwei lokale Händler bieten handgefertigte Weihnachtsdekoration und regionale Spezialitäten an. Der Duft von gebrannten Mandeln mischt sich mit dem des Glühweins.
«Dieser Platz ist selbst vielen Dortmundern unbekannt», verrät Weber. «Früher war hier ein Markt für die Anwohner des Viertels. Heute nutzen wir ihn für kleine Veranstaltungen wie diese.»
Die Teilnehmer tauschen sich angeregt über das Gesehene aus. Besonders beeindruckt sind viele von den Details der Gründerzeitarchitektur und den versteckten Innenhöfen, die normalerweise nicht zugänglich sind.
«Ich nehme viele neue Eindrücke mit», sagt Renate Schmidt (68). «Am Wochenende komme ich mit meiner Enkelin wieder her, um ihr die schönen Häuser zu zeigen und in den kleinen Läden Weihnachtsgeschenke zu kaufen.»
Gegen Ende der Tour, die insgesamt etwa zwei Stunden dauert, führt der Weg durch eine schmale Gasse zu einem historischen Gebäude, in dem heute ein gemütliches Café untergebracht ist. Hier wärmt sich die Gruppe bei einer letzten Tasse Glühwein auf.
«Die Glühweinwanderung ist mehr als nur eine Stadtführung mit Getränk«, resümiert Weber. «Sie ist eine Entdeckungsreise durch ein Stück Dortmunder Geschichte, die gleichzeitig das Gemeinschaftsgefühl stärkt.»
Für die Teilnehmer kostet die Tour 15 Euro, darin enthalten sind Glühwein, kleine Snacks und die fachkundige Führung. Eine Voranmeldung ist erforderlich, da die Teilnehmerzahl begrenzt ist. Im Dezember und Januar finden die Wanderungen jeweils samstags statt.
«Nächstes Jahr planen wir eine Erweiterung», verrät Weber zum Abschluss. «Dann soll es auch eine Route durch das benachbarte Saarlandstraßenviertel geben, das ebenfalls viele unentdeckte Schönheiten bietet.»
Als sich die Gruppe am Ende verabschiedet, fallen erneut Schneeflocken. Das Kaiserviertel präsentiert sich im Licht der Straßenlaternen und der weihnachtlichen Dekoration wie eine zauberhafte Winterkulisse – ein perfekter Abschluss für eine Entdeckungstour abseits der bekannten Pfade in Dortmund.