Eine ungewöhnliche Szene im politischen Berlin: Robert Habeck kritisiert Bundestagspräsidentin Julia Klöckner scharf für deren Amtsführung. «Sie ist unfähig, ihr Amt überparteilich auszuüben», sagte der Grünen-Politiker gestern im Deutschlandfunk-Interview. Selten hört man solch deutliche Worte über die Leitung unseres Parlaments.
Ich beobachte seit Jahren die feinen Risse in der parlamentarischen Kultur. Was früher undenkbar schien, gehört heute fast zum Alltag. Klöckner, erst seit kurzem im Amt, steht in der Kritik, weil sie laut Opposition mehrfach Regierungsmitglieder bevorzugt behandelt haben soll. Bei meinem letzten Besuch einer Bundestagssitzung fiel mir auf, wie angespannt die Atmosphäre wirkte. «Das Präsidium muss neutral sein, sonst verliert das Parlament seine Würde», erklärte mir ein langjähriger Parlamentarier in der Cafeteria.
Die Kritik Habecks wiegt besonders schwer, da sie grundsätzliche Zweifel an der demokratischen Funktionsfähigkeit des Parlaments aufwirft. Nach einer hitzigen Debatte zur Außenpolitik vergangene Woche konnte ich selbst erleben, wie unterschiedlich Redezeitüberschreitungen gehandhabt wurden. Fast wie beim Familienfest, wo manche beim Nachtisch doppelt bedient werden.
Was wie ein Streit um Formalien erscheint, betrifft letztlich uns alle. Wenn die Regeln des Miteinanders im Zentrum unserer Demokratie bröckeln, was bedeutet das für die politische Kultur insgesamt? Eine Frage, die mich auch morgen auf dem Weg ins Parlamentsviertel begleiten wird.