In Hamburgs Gefängnissen wird der Platz knapp. Die Justizbehörde der Hansestadt hat nun eine ungewöhnliche Maßnahme ergriffen: 20 Strafgefangene wurden in das Gefängnis Bützow in Mecklenburg-Vorpommern verlegt. Dies ist die erste größere Verlegung dieser Art seit vielen Jahren und zeigt, wie angespannt die Situation in Hamburgs Justizvollzugsanstalten geworden ist.
Die Überbelegung in Hamburgs Gefängnissen hat in den letzten Monaten stetig zugenommen. Aktuell sind die Haftanstalten zu über 90 Prozent ausgelastet, in einigen Bereichen sogar noch höher. «Wir stehen vor einer herausfordernden Situation», erklärte Justizsenatorin Anna Gallina. «Die Verlegung nach Mecklenburg-Vorpommern ist eine notwendige Maßnahme, um unsere Vollzugsanstalten zu entlasten.»
Die betroffenen Gefangenen wurden sorgfältig ausgewählt. Es handelt sich um Personen, die keine familiären Bindungen in Hamburg haben und deren Haftzeit noch mindestens sechs Monate beträgt. Dies soll die sozialen Auswirkungen der Verlegung minimieren. Dennoch bedeutet die Maßnahme für die Betroffenen eine erhebliche Veränderung ihrer Haftbedingungen und erschwert Besuche von Anwälten und Angehörigen.
In der JVA Bützow, etwa 170 Kilometer von Hamburg entfernt, werden die Hamburger Gefangenen in einem separaten Bereich untergebracht. Die Kosten für die Unterbringung trägt Hamburg. Nach Angaben der Justizbehörde belaufen sich diese auf etwa 125 Euro pro Person und Tag.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht in der Verlegung ein Alarmsignal. «Diese Maßnahme zeigt deutlich, dass wir in Hamburg zu wenig Haftplätze haben», sagte der GdP-Vorsitzende Horst Niens. «Seit Jahren weisen wir auf den steigenden Bedarf hin. Nun rächt sich die fehlende Planung.«
Die Überbelegung hat verschiedene Gründe. Zum einen ist die Zahl der Strafverfahren gestiegen, zum anderen wurden in den letzten Jahren verstärkt Haftbefehle vollstreckt, die während der Corona-Pandemie ausgesetzt worden waren. Auch die Zunahme bestimmter Deliktarten, insbesondere im Bereich der organisierten Kriminalität und des Drogenhandels, trägt zur angespannten Situation bei.
Die Justizbehörde arbeitet nach eigenen Angaben an längerfristigen Lösungen. In der JVA Billwerder sollen zusätzliche Haftplätze geschaffen werden, und auch die Sanierung älterer Gebäudeteile wird vorangetrieben. Zudem werden Alternativen zur Haft wie der elektronische Hausarrest stärker gefördert. «Diese Maßnahmen brauchen jedoch Zeit», betonte Behördensprecher Peter Stelter. «Die Verlegung nach Mecklenburg-Vorpommern verschafft uns die notwendige Atempause.»
Für die Strafvollzugsbediensteten bedeutet die Überbelegung eine zusätzliche Belastung. «Der Personalmangel im Strafvollzug ist ohnehin schon problematisch«, erklärte Franziska Schmidt, Vertreterin der Justizvollzugsgewerkschaft. «Wenn dann auch noch mehr Gefangene auf engem Raum untergebracht werden, steigt das Konfliktpotenzial erheblich.»
Hamburgs Opposition kritisiert das Vorgehen des Senats scharf. «Die Verlegung von Gefangenen in ein anderes Bundesland ist ein Eingeständnis des Scheiterns», sagte der justizpolitische Sprecher der CDU, Richard Seelmaecker. «Der rot-grüne Senat hat jahrelang den notwendigen Ausbau der Haftkapazitäten verschlafen.»
Hamburg ist nicht das erste Bundesland, das Strafgefangene in andere Bundesländer verlegen muss. Berlin und Nordrhein-Westfalen greifen regelmäßig auf diese Möglichkeit zurück. Experten sehen darin jedoch keine dauerhafte Lösung. «Die Resozialisierung wird erschwert, wenn Gefangene weit von ihrem sozialen Umfeld untergebracht werden», gibt Kriminologe Professor Thomas Meyer zu bedenken.
Die betroffenen Gefangenen wurden über ihre Rechte informiert und bekommen Unterstützung bei der Eingewöhnung in der neuen Umgebung. Ob weitere Verlegungen folgen werden, hängt von der Entwicklung der Belegungssituation in den kommenden Monaten ab. Die Justizbehörde betont jedoch, dass sie solche Maßnahmen auf ein Minimum beschränken möchte.