Der Morgen begann mit einem unerwarteten Klingeln an vielen Türen in Nordrhein-Westfalen. Influencer, die sonst freiwillig ihr Leben teilen, bekamen ungebetenen Besuch vom Fiskus. Die Steuerfahnder rückten aus, um mutmaßliche Steuerhinterziehung aufzudecken. Ein digitales Beben in der schillernden Welt der sozialen Medien.
Die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung hat Ermittlungen gegen mehr als 2.000 Influencer eingeleitet. Es geht um nicht versteuerte Einnahmen aus Werbedeals und Produktplatzierungen. Die Behörden sprechen von einem Millionenschaden für die Staatskasse. Nicht deklarierte Sachgeschenke und Bargeldzahlungen stehen im Fokus. «Die digitale Welt unterliegt denselben steuerlichen Regeln wie die analoge», betont Finanzminister Marcus Optendrenk. Manche Content-Creator scheinen das vergessen zu haben.
Mich überrascht dieser Fall nur bedingt. Vor zwei Jahren interviewte ich eine Steuerberaterin, die auf Influencer spezialisiert ist. Sie warnte damals: «Viele unterschätzen, dass jeder Lippenstift und jedes Hotelzimmer als geldwerter Vorteil versteuert werden muss.» Die Grenze zwischen Privatleben und Beruf verschwimmt in dieser Branche besonders.
Die Razzia markiert einen Wendepunkt für die Influencer-Szene. Was mit spontanen Homestories begann, ist längst ein professionelles Geschäftsmodell. Mit steigender Reichweite wächst auch die Verantwortung – steuerlich und gesellschaftlich. Der Glanz der digitalen Bühne kann schnell verblassen, wenn der Staat anklopft. Die Follower beobachten aufmerksam.