Als ich gestern die Nachrichten verfolgte, war ich erschüttert über die Kampagne gegen Frauke Brosius-Gersdorf. Die renommierte Rechtsprofessorin sollte auf Vorschlag der SPD Verfassungsrichterin werden, doch dann überzogen sie konservative Kreise mit heftiger Kritik.
Die Juristin gilt als Expertin für Verfassungs- und Sozialrecht, lehrte an renommierten Universitäten und verfasste zahlreiche Publikationen. Dennoch wurde sie plötzlich als «zu links» bezeichnet. Ein CSU-Politiker nannte sie gar «verfassungsfeindlich» – eine unfassbare Anschuldigung gegen eine Rechtswissenschaftlerin. «Solche Diffamierungen schaden nicht nur der Person, sondern dem gesamten Rechtsstaat», sagte mir ein Kollege aus der Justiz, der anonym bleiben möchte.
Was mich besonders nachdenklich stimmt: Die Kampagne folgte einem erkennbaren Muster. Zuerst kritisierten einzelne Unionspolitiker, dann sprangen konservative Medien auf, schließlich zog die CSU ihre Unterstützung zurück. Vor einigen Jahren erlebte ich bei einer Podiumsdiskussion mit Brosius-Gersdorf eine differenzierte Juristin, die keineswegs ideologisch argumentierte.
Die Einflussnahme auf Richterwahlen nimmt besorgniserregend zu. Wenn Fachkompetenz hinter politischer Opportunität zurückstehen muss, verlieren wir etwas Grundlegendes. Unser Rechtsstaat braucht unabhängige Köpfe, keine gefügigen Parteisoldaten. Die Causa Brosius-Gersdorf ist mehr als ein politischer Streit – sie ist ein Weckruf.