Der gestrige Karlsruher Richterspruch verändert die Abschiebungspraxis in Deutschland grundlegend. Vor meinem Fenster beobachte ich gerade einen Polizeiwagen, der vorbeifährt. Wie viele solcher Einsätze werden nun anders verlaufen müssen? Das Bundesverfassungsgericht hat klare Grenzen für polizeiliche Maßnahmen bei Abschiebungen gesetzt.
Die Richter stellten unmissverständlich fest: Ohne richterlichen Beschluss dürfen Polizeikräfte keine Wohnungen mehr betreten, um Menschen abzuschieben. Bislang war dies gängige Praxis. «Dieses Urteil stärkt die Grundrechte aller Menschen in Deutschland», erklärt Rechtsanwältin Berenice Böhlo, die mehrere Betroffene vertritt. Die Behörden stehen nun vor erheblichen Herausforderungen. Allein letztes Jahr gab es über 16.000 Abschiebungen. Viele davon wurden durch Wohnungszutritte vollzogen.
Vor drei Jahren erlebte ich selbst bei einer Reportage mit, wie eine Familie um vier Uhr morgens von Polizisten überrascht wurde. Die verstörten Kindergesichter verfolgen mich bis heute. Das Karlsruher Urteil könnte solche traumatischen Erfahrungen künftig verhindern.
Die gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Entscheidung werden wir erst in den kommenden Monaten vollständig erfassen. Während Menschenrechtsorganisationen das Urteil begrüßen, warnen Innenpolitiker vor einem faktischen Abschiebestopp. In dieser aufgeheizten Debatte gerät oft das Wesentliche aus dem Blick: Es geht um Menschenwürde und Rechtsstaat – zwei Werte, die keine Kompromisse dulden.