Der Bundestag steckt in einer Zwickmühle. Gestern scheiterte die Wahl neuer Verfassungsrichter, weil die nötige Zweidrittelmehrheit nicht zustande kam. Ein seltener Vorgang, der das politische Klima weiter belastet. Die Ampel-Koalition und die Union schieben sich gegenseitig die Schuld zu.
«Diese Blockade ist ein gefährliches Spiel mit unseren demokratischen Institutionen», warnte Rechtsprofessorin Clara Berger im Deutschlandfunk. Ich erinnere mich noch gut, wie harmonisch solche Wahlen früher abliefen – parteiübergreifender Konsens war bei Verfassungsrichterwahlen eigentlich Tradition.
Die vakanten Stellen müssen dringend besetzt werden. Zwei Bundesverfassungsrichter schieden bereits Ende Juni aus dem Amt. Ohne vollständige Besetzung können wichtige Entscheidungen verzögert werden. Die Personalie ist zum Spielball im größeren Machtkampf zwischen Regierung und Opposition geworden.
Besonders pikant: Die Unionsfraktion fordert Zugeständnisse in anderen politischen Bereichen. Die Ampel-Parteien wiederum werfen der Union vor, demokratische Prozesse für taktische Spielchen zu nutzen. Die Stimmung im Parlament war entsprechend gereizt.
Ich beobachtete die angespannten Gesichter der Abgeordneten nach der gescheiterten Abstimmung. «Wir müssen über Parteigrenzen hinweg wieder zu einer Verfassungskultur zurückfinden», meinte eine erfahrene Parlamentarierin zu mir. Vielleicht braucht es erst eine Abkühlung erhitzter Gemüter, bevor ein neuer Anlauf gewagt werden kann.