Köln Haushaltskrise: Burmester unter Druck wegen Bund Klage
Die angespannte Haushaltslage in Köln spitzt sich dramatisch zu. Oberbürgermeisterin Claudia Burmester steht zunehmend unter Druck, rechtliche Schritte gegen den Bund einzuleiten. Bei der gestrigen Sitzung des Stadtrats forderten mehrere Fraktionen die Verwaltungschefin auf, Klage einzureichen und bestimmte Leistungen für Geflüchtete einzustellen, sollte der Bund nicht mehr finanzielle Unterstützung zusagen.
«Die Stadt kann nicht weiter Aufgaben übernehmen, für die wir keine ausreichende Finanzierung erhalten«, erklärte Finanzausschussvorsitzender Michael Gerhardt während der hitzigen Debatte. Laut aktuellen Zahlen der Kämmerei fehlen der Stadt allein für die Versorgung von Geflüchteten in diesem Jahr rund 87 Millionen Euro. Eine Summe, die das ohnehin angespannte Stadtbudget massiv belastet.
Der Vorschlag kommt nicht aus heiterem Himmel. Bereits letzte Woche hatte die Stadt Düsseldorf ähnliche Maßnahmen angekündigt. Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller will notfalls vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen, um eine angemessene Finanzierung einzufordern.
Die Kölner Stadtspitze zeigt sich bislang zurückhaltender. «Wir prüfen alle Optionen sehr sorgfältig«, sagte Burmester nach der Sitzung. «Eine Klage gegen den Bund ist ein schwerwiegender Schritt, den wir nicht überstürzt gehen sollten.» Gleichzeitig betonte sie: «Die finanzielle Belastung der Kommunen hat ein untragbares Ausmaß erreicht.»
Geteilte Meinungen im Stadtrat
Im Kölner Stadtrat zeichnen sich klare Lager ab. Die konservative Fraktion unter Führung von Thomas Westermann fordert ein sofortiges Handeln: «Andere Städte machen es vor. Wir können nicht länger warten, während unsere Haushaltslage immer prekärer wird.»
Die progressive Fraktion sieht die Situation differenzierter. «Eine Klage ist das letzte Mittel«, betont Fraktionsvorsitzende Maria Schmidt. «Wir sollten zuerst alle Verhandlungsmöglichkeiten ausschöpfen.» Sie warnt vor den Konsequenzen einer Leistungseinstellung: «Am Ende trifft es die Schwächsten in unserer Gesellschaft.»
Sozialdezernentin Hannah Weber gibt zu bedenken: «Die Unterbringung und Integration von Geflüchteten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wenn wir bestimmte Leistungen einstellen, verschieben wir das Problem nur.» Nach Angaben ihres Dezernats betreut die Stadt aktuell rund 14.500 Geflüchtete – mehr als doppelt so viele wie noch vor drei Jahren.
Dramatische Haushaltslage
Die Debatte um die Klage findet vor dem Hintergrund einer dramatischen Haushaltssituation statt. Kämmerer Dr. Frank Linden präsentierte gestern erschreckende Zahlen: «Wir steuern auf ein Defizit von 340 Millionen Euro zu. Ohne zusätzliche Mittel von Bund und Land werden wir gezwungen sein, bei freiwilligen Leistungen massiv zu kürzen.»
Dies würde besonders den Kultur- und Sportbereich treffen. Mehrere Stadtteilbibliotheken stehen bereits auf der Kippe, Zuschüsse für Vereine sollen gekürzt werden. «Die Substanz unserer Stadt ist in Gefahr», warnte Kulturdezernentin Petra Müller während der Sitzung.
Bürgerinnen und Bürger spüren die Auswirkungen bereits. Der öffentliche Nahverkehr wurde ausgedünnt, Schwimmbäder haben ihre Öffnungszeiten reduziert, und für viele Dienstleistungen im Bürgeramt muss man inzwischen monatelang auf Termine warten.
Breite Unterstützung für mehr Bundesmittel
Über Parteigrenzen hinweg besteht Einigkeit darüber, dass der Bund mehr Verantwortung übernehmen muss. «Es kann nicht sein, dass Kommunen Aufgaben zugewiesen bekommen, ohne die nötigen finanziellen Mittel zu erhalten«, so der Vorsitzende des Hauptausschusses, Jürgen Baumann.
Der Deutsche Städtetag unterstützt die Position der Kommunen. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy hatte erst kürzlich erklärt: «Die Städte sind am Limit. Wir brauchen eine dauerhafte und auskömmliche Finanzierung für die Unterbringung und Integration von Geflüchteten.»
Eine repräsentative Umfrage unter Kölner Bürgern zeigt, dass 72 Prozent mehr Unterstützung vom Bund befürworten. Allerdings sind nur 41 Prozent für eine Klage, während 38 Prozent diesen Schritt ablehnen.
Wie geht es weiter?
Oberbürgermeisterin Burmester steht nun vor einer schwierigen Entscheidung. Der Stadtrat hat sie beauftragt, bis zur nächsten Sitzung in drei Wochen einen detaillierten Handlungsplan vorzulegen. Dieser soll sowohl rechtliche Schritte als auch mögliche Sparmaßnahmen beinhalten.
Parallel dazu soll eine Delegation aus Köln Gespräche mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser führen. «Wir hoffen immer noch auf eine Verhandlungslösung«, betont Burmester. «Eine Klage wäre für alle Beteiligten die schlechteste Option.»
Für die Kölnerinnen und Kölner bedeutet die angespannte Situation vor allem eines: weitere Einschnitte bei öffentlichen Leistungen. Der Haushalt 2024 wird voraussichtlich schmerzhafte Kürzungen bringen, unabhängig vom Ausgang der Debatte um die Bundesklage.
«Am Ende geht es um die Lebensqualität in unserer Stadt», fasst Sozialexperte Dr. Klaus Werner von der Universität Köln zusammen. «Wenn Kommunen finanziell ausbluten, leidet das gesellschaftliche Zusammenleben. Das sollte auch in Berlin verstanden werden.»
Die nächsten Wochen werden zeigen, ob Köln dem Beispiel anderer Städte folgt und den Rechtsweg beschreitet – oder ob noch eine Einigung mit dem Bund erzielt werden kann.