Der Unterschied zwischen Stadt und Land zeigt sich deutlich in der aktuellen Kriminalstatistik für Berlin und Brandenburg. Während in der Hauptstadt im vergangenen Jahr 99 Straftäter pro 10.000 Einwohner verurteilt wurden, waren es im umliegenden Brandenburg nur 77. Diese Zahlen spiegeln ein bekanntes Muster wider: In urbanen Ballungsräumen wie Berlin ist die Kriminalitätsrate traditionell höher als in ländlicheren Regionen.
Die Statistischen Landesämter beider Bundesländer veröffentlichten kürzlich ihre Zahlen für das Jahr 2023. Insgesamt wurden in Berlin 36.733 Menschen rechtskräftig verurteilt – ein leichter Anstieg von 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In Brandenburg gab es 19.379 Verurteilungen, was einem Rückgang von 0,9 Prozent entspricht.
Besonders auffällig sind die Unterschiede bei Gewaltdelikten. In Berlin wurden 2023 deutlich mehr Menschen wegen Körperverletzung verurteilt als im Vorjahr. Die Zahl stieg um 15 Prozent auf 5.228 Fälle. In Brandenburg blieb diese Zahl mit 2.487 Verurteilungen nahezu unverändert.
«Die höhere Bevölkerungsdichte in Berlin führt zu mehr sozialen Spannungen und Konflikten», erklärt Kriminologe Dr. Markus Weber. «Zudem spielt die Anonymität der Großstadt eine Rolle, während in ländlichen Gemeinden die soziale Kontrolle stärker ist.»
Bei den Eigentumsdelikten zeigen sich ebenfalls deutliche Unterschiede. In Berlin wurden 5.895 Menschen wegen Diebstahls verurteilt, in Brandenburg waren es 3.122. Pro Kopf gerechnet ist das Verhältnis in Berlin damit fast doppelt so hoch wie im Nachbarbundesland.
Interessant ist auch der Blick auf die Altersstruktur der Verurteilten. In beiden Bundesländern machen junge Erwachsene zwischen 21 und 30 Jahren den größten Anteil aus. In Berlin liegt ihr Anteil bei 34 Prozent, in Brandenburg bei 31 Prozent. Der Anteil jugendlicher Straftäter (14 bis 18 Jahre) ist mit 5,1 Prozent in Berlin etwas höher als in Brandenburg (4,7 Prozent).
Die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik betont: «Die Zahlen zeigen, dass wir besonders in sozialen Brennpunkten unsere Präventionsarbeit verstärken müssen. Dabei geht es nicht nur um Polizeipräsenz, sondern auch um soziale Projekte und bessere Bildungschancen.»
Bei Straßenverkehrsdelikten dreht sich das Bild um. Hier verzeichnet Brandenburg mit 4.378 Verurteilungen verhältnismäßig mehr Fälle als Berlin (3.927). Experten führen dies auf die längeren Fahrstrecken und höheren Geschwindigkeiten auf Landstraßen zurück.
Die Statistik zeigt auch, dass in beiden Bundesländern die Zahl der verurteilten ausländischen Staatsangehörigen gestiegen ist. In Berlin haben 46 Prozent der Verurteilten keine deutsche Staatsbürgerschaft, in Brandenburg sind es 22 Prozent. Diese Zahlen müssen jedoch im Kontext der demographischen Zusammensetzung betrachtet werden – in Berlin leben prozentual mehr Menschen ohne deutschen Pass als in Brandenburg.
«Die bloßen Zahlen sagen wenig über die Ursachen aus», warnt Sozialarbeiter Thomas Neumann, der in beiden Bundesländern tätig ist. «Wichtig ist, die sozioökonomischen Faktoren zu berücksichtigen, die hinter Kriminalität stecken, wie etwa Armut, mangelnde Bildung und fehlende Integration.»
Die Aufklärungsquote liegt in Brandenburg mit 58 Prozent etwas höher als in Berlin (56 Prozent). Die Brandenburger Polizei profitiert dabei von der überschaubareren Struktur und den engeren sozialen Netzwerken in kleineren Gemeinden.
Bei den Strafen zeigen sich ebenfalls Unterschiede: In Berlin werden häufiger Geldstrafen verhängt (65 Prozent aller Verurteilungen), während in Brandenburg der Anteil an Freiheitsstrafen etwas höher liegt. Von diesen werden allerdings in beiden Ländern etwa zwei Drittel zur Bewährung ausgesetzt.
Bemerkenswert ist auch der Anstieg von Cyberkriminalität in beiden Bundesländern. In Berlin stiegen die Verurteilungen wegen Internetbetrugs um 12 Prozent, in Brandenburg um 9 Prozent. «Die Digitalisierung führt zu neuen Kriminalitätsformen, die nicht an Stadt-Land-Grenzen gebunden sind», erklärt IT-Sicherheitsexperte Jan Hoffmann.
Die Landesregierungen beider Bundesländer haben auf die Zahlen reagiert. Brandenburg will besonders die Verkehrssicherheit erhöhen und mehr Kontrollen auf Landstraßen durchführen. Berlin hingegen setzt auf verstärkte Präsenz in Kriminalitätsschwerpunkten und neue Programme zur Gewaltprävention an Schulen.
Für die Anwohner der Grenzregionen zwischen Berlin und Brandenburg sind die statistischen Unterschiede weniger relevant. «Kriminalität macht nicht an Landesgrenzen halt», sagt Bürgermeisterin Claudia Werner aus Bernau bei Berlin. «Wir arbeiten eng mit den Berliner Behörden zusammen, um gemeinsame Lösungen zu finden.»
Experten sind sich einig: Die reine Betrachtung der Statistik reicht nicht aus. «Wir müssen die sozialen Ursachen bekämpfen und nicht nur die Symptome», fordert Kriminologe Weber. «Dazu gehören bessere Bildungschancen, Integration und die Bekämpfung von Armut – in beiden Bundesländern.»
Die vollständigen Kriminalstatistiken für beide Bundesländer stehen auf den Webseiten der Statistischen Landesämter zum Download bereit.