Die letzten Sonnenstrahlen des Frühlings streichen über meine Haut, während ich auf einer Parkbank sitze. Um mich herum Menschen in kurzen Hosen – ein Anblick, der mir jahrelang Unbehagen bereitete. Heute trage auch ich ein knielanges Kleid, ohne meine Beine verstecken zu wollen. Der Weg zu diesem Selbstbewusstsein war lang, geprägt von der Diagnose Lipödem.
«Meine Beine waren immer schon voluminöser als der Rest meines Körpers», erzählte mir Tina Schwarz bei unserem Gespräch letzte Woche. Die 42-jährige Münchnerin kämpfte zwei Jahrzehnte mit unverstandenen Beschwerden, bevor ein Arzt endlich das Wort «Lipödem» aussprach. Diese chronische Erkrankung betrifft fast ausschließlich Frauen – etwa 11 Prozent der weiblichen Bevölkerung in Deutschland leiden darunter.
Was viele nicht wissen: Ein Lipödem ist keine Fettleibigkeit, sondern eine Fettverteilungsstörung. Die Betroffenen spüren oft starke Schmerzen, besonders bei Berührungen. «Die schlimmste Erfahrung war für mich das ständige ‹Reiß dich zusammen, iss weniger'», seufzt Tina. «Als hätte ich meine Erkrankung selbst verschuldet.»
Ich erinnere mich an meine eigene Tante, die jahrelang von Arzt zu Arzt pilgerte, bis ihr jemand zuhörte. Die Kombination aus Kompressionsstrümpfen, manueller Lymphdrainage und bei fortgeschrittenem Stadium auch operativen Eingriffen kann die Lebensqualität deutlich verbessern.
Der gesellschaftliche Blick auf Körperformen wandelt sich langsam. Zwischen Bodyshaming und Body Positivity finden immer mehr Betroffene ihre Stimme. Denn Sichtbarkeit ist der erste Schritt zur Akzeptanz – sowohl bei anderen als auch bei sich selbst.